: Bewegt die steife deutsche Hüfte
MCHIRIKU Jagwa Music aus Dar es Salaam in Tansania rocken den Prinzessinnengarten
Blechern schallt die Stimme von Jackie Kazimoto durch den Prinzessinnengarten am Moritzplatz. Zwischen den Gemüsebeeten des „Urban Gardening“-Projekts haben Jagwa Music aus Tansania ihre gewöhnungsbedürftige Megafon-Anlage installiert. Noch etwas zurückhaltend verfolgt das Publikum bei Holunderschorle und Weißwein das hektische Treiben auf der kleinen Bühne. Ein wenig Augenrollen im emanzipierten Kreuzberg, als Tänzerin Catherine mit betont lasziven Bewegungen die Bühne betritt.
Doch beim dritten Song haben Jagwa schon den meisten die deutsche Reserviertheit aus den Gliedern getrieben, zu leidenschaftlich jagt Frontmann Kazimoto Vers um Vers über die irrwitzig schnellen Rhythmen, die seine Bandkollegen ihren selbst gebauten, teils eher behelfsmäßigen Instrumenten entlocken. Ein paar Percussions, der metallene Klang eines Stuhls und ein altes Casio-Keyboard, schon ist der authentische Mchiriku-Sound perfekt.
Mchiriku entstand Ende der 80er-Jahre im Schmelztiegel der Millionenmetropole Dar es Salaam an der ostafrikanischen Küste. Als Pioniere des atemberaubenden Sounds, dessen treibendes Tempo ein wenig an Drum & Bass erinnert, prägen Jagwa auch den urbanen Slang ihrer Heimat: Ihre Zeilen zieren viele der farbenfrohen Minibusse der Stadt. Bei der Regierung sind Jagwas oftmals sozialkritische Texte dagegen als Musik für Drogenabhängige verpönt. Die Themen wie Armut, Aids oder Gewalt, aber auch Respekt und ein friedliches Miteinander liefert der Alltag in den Straßen Dar es Salaams, auf denen sich die Bandmitglieder tagsüber als Busfahrer oder mit Gelegenheitsjobs verdingen. „Bongo Hotheads“ heißt denn auch passenderweise Jagwas mittlerweile fünfzehnte Veröffentlichung. Bongo (abgeleitet vom Swahili-Wort für Gehirn), ist eine umgangssprachliche Namensgebung für die pulsierende Hauptstadt und eine Anspielung an die geistige Schnelligkeit und die verbale Schlagfertigkeit, die sich die Bewohner der Großstadt gerne selbst zuschreiben. Das eingängige Album ist Jagwas erste Zusammenarbeit mit dem belgischen Label Crammed Disks und endlich auch auf gängigeren Vertriebswegen als über die mobilen Kassettenhändler Tansanias erhältlich. Ihre ersten 14 Alben sind nur auf Tape erschienen.
Nachdem Jagwa im letzten Jahr zu den gefeierten Entdeckungen des Roskilde Festivals gehörten, sind sie nun in acht europäischen Ländern auf Tour. In der Schweiz haben zuletzt sogar eingefleischte Heavy-Metall-Fans zum Mchiriku-Sound gemosht. In der gemütlichen Atmosphäre des Prinzessinnengartens geht es familienfreundlicher zu. Aber auch hier haben Jagwa am Ende das anfangs so hüftsteife Publikum für sich gewonnen. MARIUS MÜNSTERMANN