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Den Besten auf der Spur

Vor sechs Monaten hat Rot-Grün den roten Teppich für die internationale geistige Elite ausgerollt. Aber wo bleibt sie?

VON ASTRID GEISLER

Jetzt müssten sie eigentlich anreisen. Für immer, mit Familie und Möbelcontainer, die idealen Neubürger, nach denen sich Wirtschaft und Wissenschaft so lange vergeblich sehnten: die Jahrgangsbesten der Eliteuniversitäten aus aller Welt, Höchstqualifizierte, ohne deren Wissen keine Firma und keine Universität mehr mithalten kann im globalen Wettbewerb. Denn seit sechs Monaten hat auch die Bundesrepublik den „roten Teppich“ ausgerollt für jene „weltweit besten Köpfe“, wie Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) stolz verkündete, als der Zuwanderungskompromiss schließlich stand. Nur: Wo arbeiten sie, wie leben sie, die „High Potentials“?

Man kann dieser Tage hartnäckig nach ihnen fahnden – ohne Ergebnis. Beim Großkonzern Siemens, beim IT-Branchenverband Bitkom, bei der Humboldt-Stiftung, beim Verein Deutscher Ingenieure, beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag – nirgendwo ist bisher einer der besonders qualifizierten Migranten gesichtet worden.

Kein Wunder, urteilen Fachleute. Die Möglichkeiten des neuen Zuwanderungsgesetzes würden schlichtweg „nicht genutzt“, sagt Gert Wagner, Forschungsdirektor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin und Mitglied im inzwischen aufgelösten Zuwanderungsrat. Eine These, die auch der Frankfurter Anwalt für Ausländerrecht, Victor Pfaff, vertritt: „Die neuen Regelungen sind so eng gefasst, dass meines Wissens nach bisher keine einzige Person darüber zugewandert ist.“

Alles Miesmacherei? Als Otto Schily (SPD) vergangene Woche seine Bilanz rot-grüner Zuwanderungspolitik präsentierte, spielten die Hochqualifizierten keine Rolle. Es gebe zu diesem Sektor noch keine „verlässlichen Zahlen“, beteuerte der Innenminister. Die Realität sieht anders aus: Das Bundesamt für Migration habe bisher überhaupt keine aktuelle Zuwanderungsstatistik, so eine Sprecherin. Denn für das neue Recht müsse man auch die Datenerfassung umstellen – das dauere noch bis Jahresende. So lange sei die Behauptung, das Gesetz werde nicht genutzt, „genauso spekulativ“ wie das Gegenteil.

Nicht ganz. Man muss sich nur in Personalabteilungen umhören, bei Handelskammern oder Verbänden: „Ich kenne bisher keinen konkreten Fall“, sagt Stefan Pfisterer vom IT-Branchenverband Bitkom. Auch Hilde Cost von der IHK Stuttgart weiß von keinem Unternehmen, das von den neuen Möglichkeiten Gebrauch gemacht hätte. Das Hauptproblem aus ihrer Sicht: Wer als Spitzenkraft auf Anhieb eine unbefristete Niederlassungserlaubnis für die ganze Familie bekommen wolle, müsse mindestens 84.000 Euro im Jahr verdienen – eine viel zu hohe Schwelle. Und wenn die neuen Möglichkeiten schon im reichen Baden-Württemberg nicht ankommen, vermutet Cost, „zieht das vermutlich auch anderswo nicht“.

Dafür spricht das Beispiel Siemens. Bisher sei ihr aus dem gesamten Konzern „kein solcher Fall bekannt“, sagte Kathrin Hubel von der zentralen Personalabteilung. Das liege nicht nur an der Gehaltsschwelle, sondern auch an der wirtschaftlichen Entwicklung: Die meisten Mitarbeiter würden inzwischen ohnehin gleich im Ausland eingestellt. Und wenn Siemens hoch qualifizierte Kräfte aus dem Ausland benötige, „regeln wir das oft über den konzerninternen Personalaustausch“.

DIW-Zuwanderungsexperte Wagner sieht aber auch Gründe, warum es „High Potentials“ – Konjunkturflaute hin, Jahresgehalt her – nach wie vor gar nicht in die Bundesrepublik zieht: „Qualifizierte Zuwanderer kommen nur dann, wenn Deutschland ihnen signalisiert, dass sie hier wirklich willkommen sind.“

Falls es doch irgendwo hoch qualifizierte Neuzuwanderer gibt – sachdienliche Hinweise bitte an: klugekoepfe@taz.de

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