YOANI SANCHEZ POLITIK VON UNTEN: Auf dem Platz der Revolution
Der kolumbianische Musiker Juanes und sein geplanter Auftritt in Havanna: wie ein Konzert zum Politikum wird
Vor ein paar Wochen wurde angekündigt, dass der kolumbianische Rockstar Juanes auf dem Platz der Revolution in Havanna ein Konzert geben würde. Die Anhänger seiner Musik, überwiegend junge Leute unter 30, waren begeistert. Aber sofort ging, insbesondere in der kubanischen Exilgemeinde in Florida, eine hitzige Debatte los. Einige kritisierten den Ort, den er für seine „Frieden ohne Grenzen“ überschriebene Show ausgewählt hat, andere bemängelten, dass er mit regimetreuen Liedermachern wie Silvio Rodríguez auftreten will, und manche finden es fragwürdig, überhaupt nach Kuba zu reisen.
Die Idee, an einem Ort aufzutreten, der in den vergangenen fünf Jahrzehnten das Epizentrum des politischen Systems war, ist einer der umstrittensten Aspekte am Projekt von Juanes. Auch wenn der Musiker versichert: „Mich interessiert die kubanische Regierung nicht. Mich interessieren die Menschen …“, so bleibt es trotzdem wahr, dass die große Bühne auf dem Platz der Revolution komplett mit dem Regime identifiziert wird. Nur ein einziges Mal, im Januar 1998, stand jemand auf dieser Bühne, der keine Lobeshymnen auf das System und den Oberkommandierenden sang: Papst Johannes Paul II.
Die Diskussion ist so weit eskaliert, dass in Miami ein paar Leute CDs des Interpreten verbrannten. Noch weiter angeheizt wurde der Streit durch einige Künstler im Exil, denen weder die Einreise nach Kuba noch erst recht keine Auftritte erlaubt werden.
Ich glaube, dass Juanes nicht klargewesen ist, dass er ins Zentrum eines 50 Jahre alten Konflikts hineinplumpsen würde. Unter dem gleichen Titel hatte er bereits ein Konzert für den Frieden an der Grenze zwischen Kolumbien und Venezuela gegeben, als die Spannungen zwischen beiden Ländern besorgniserregende Formen angenommen hatten, und die Idee, so etwas auch in Kuba zu veranstalten, musste ihm relativ problemlos erscheinen.
Inzwischen habe andere ausländische Musiker wie Enrique Iglesias, Maná und Ricky Martin ihre Mitwirkung zurückgezogen. Sie fürchten, dass eine Nacht der Gitarren in Havanna ihren Karrieren schaden oder ihnen international den Ruf eintragen könnte, Raúl Castro zu unterstützen. Es würde mich nicht wundern, wenn das ganze Konzert noch abgesagt würde.
■ Die Autorin lebt als unabhängige Bloggerin in Havanna Foto: dpa
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