Osman Engin Die Coronachroniken: Bei Anruf Corona
Osman Engin
ist Satiriker in Bremen. Zu hören gibt es seine Kolumnen unter https://wortart.lnk.to/Osman_Coro-na. Sein Longseller ist der Krimi „Tote essen keinen Döner“ (dtv).
Die Coronaregeln werden angeblich gelockert, in Wirklichkeit werden sie aber von Tag zu Tag strenger. Noch vor wenigen Wochen durfte ich ohne Probleme zum Krankenhaus fahren, um das Ergebnis meines wöchentlichen PCR-Tests zu erfahren. Jetzt darf ich das plötzlich nicht mehr! Offensichtlich bin ich dort unerwünscht. Ich soll bitteschön telefonisch nach dem Ergebnis fragen. Seit gestern darf ich nicht mal mehr das! Selbst mein Anruf ist dort unerwünscht. Ich soll zu Hause ausharren und auf deren Anruf warten. Dass ich dabei vor lauter Aufregung tausend Tode sterbe, ist denen natürlich egal.
Dann endlich klingelt das Telefon.
„Guten Morgen, Herr …“
„Guten Morgen, guten Morgen, krank oder nicht?“, plappere ich drauflos, ohne auf die Höflichkeitsfloskeln Rücksicht zu nehmen. „Wenn es um Leben und Tod geht, darf man nicht zimperlich sein“, sagte der Corona-Experte gestern im Fernsehen so treffend.
„Sagen Sie es mir doch bitte“, antwortet die Schwester besorgt.
Bei Allah, sie fragt, ob ich krank bin! Ob die Krankheit bereits ausgebrochen ist! Das heißt, dass das Ergebnis positiv ist! Noch genauer gesagt, dass ich mit einem Bein im Grab stecke!
„Also der aktuelle Zustand ist starkes Herzrasen, hoher Blutdruck und somit dicht an der Schwelle zu einem bösen Herzinfarkt“, stottere ich aufgeregt.
„Wie bitte, an der Schwelle zu einem bösen Herzinfarkt? Warum haben Sie das bisher nicht erwähnt?“, fragt die Schwester panisch.
„Eigentlich habe ich das der Schwester gestern ausdrücklich gesagt“, wehre ich mich.
„Aber die alte Schnepfe hat mir nichts dergleichen erzählt“, schimpft sie.
„Da müssen Sie mit der alten Schnepfe schimpfen“, kontere ich. „Wenn man zu Hause stundenlang im eigenen Saft schmoren muss, anstatt die Diagnose sofort zu erfahren, sind all diese lebensbedrohlichen Komplikationen vorprogrammiert“, jammere ich.
„Sagten Sie eben lebensbedrohliche Komplikationen?“
„Wie würden Sie denn einen Herzinfarkt oder Schlaganfall sonst beschreiben?“
„Oh, mein Gott! Auch noch Schlaganfall“, schüttelt sie sich hörbar am Telefon.
„Klar! Ein Corona kommt doch selten allein“, rufe ich vorwurfsvoll.
„Mein Gott, habe ich etwa auch noch Corona?“, kreischt sie.
„Ob Sie auch Corona haben, müssen Sie bitteschön Ihren Arzt fragen. Als Krankenschwester sitzen Sie doch glücklicherweise direkt an der Quelle und müssen nicht so rumzappeln wie ich.“
„Herr Heidemann, Sie sind doch mein Arzt!“, kreischt sie.
„Sind Sie verrückt, ich bin doch kein Arzt! Und Herr Heidemann bin ich noch weniger.“
„Und ich bin keine Krankenschwester!“
„Warum rufen Sie mich dann an und wollen mir das Ergebnis meines gestrigen Coronatests durchgeben?“
„Ich habe meinen Urologen Doktor Heidemann angerufen, um zu erfahren, ob ich eine Blasenentzündung habe. Gehen Sie bitte schnell aus der Leitung, Sie Flegel!“
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