berliner szenen: Befreundet mit Blättern und Blüten
Im Sommer kaufe ich bei ihr Erdbeermilch. Obendrauf legt sie ein Basilikumblatt, und es ist so erfrischend, dass ich mich wie am Meer fühle, wenn ich in kurzen Hosen auf einer Bank in Prenzlauer Berg sitze. Im Winter ist es manchmal heiße Schokolade, öfter aber Instantkaffee, sehr süß, so wie das man in Korea trinkt, erklärt sie mir.
Das erste Mal, als ich ihre koreanische Patisserie betrete, stellt sie mir ihre Pflanzen vor, als wären sie Freund*innen. Sie zeigt auf Blätter und Blüten und erzählt von jeder Pflanze eine Besonderheit. Als ich rausgehe und sie von innen winkt (was sie jetzt immer macht), fühle ich mich für einen Moment lang in einem kleinen Laden auf einer Seitenstraße in New York versetzt; obwohl ich dort nie war.
Seitdem gehe ich zu ihr jedes Mal, wenn ich eine Pause in der Buchhandlung mache. Ich hänge das Schild “I’ll be back“ an die Tür und laufe mit schnellen Schritten die wenigen Meter zu ihr. Sie freut sich, wenn ich auftauche, und fragt mich, wo ich war, wenn ich eine Woche nicht kommen konnte. Ich bringe ihr Kleinigkeiten, die wir im Buchladen zu verschenken haben, und sie verlangt von mir weniger Geld, als es sein soll. Ich merke es und lasse wiederum (heimlich) Trinkgeld da, dann rollt sie mit den Augen.
Ihre Kuchen und Kekse, Tees und Dacquoises sind beliebt, es ist oft voll. Sie schreibt Etiketten mit dünnen Strichen, dekoriert sie mit kleinen Zeichnungen. Sie stellt Fotos und Illustrationen aus, überall liegen kitschige Stücke und Souvenirs, ihr Freund verkauft da seine Antiquitäten. Ich mag alles bei ihr, doch was ich am meisten mag: Wenn ich „Wie geht's?“ frage, antwortet sie nie sofort und nie mit einer Standardantwort. Sie denkt eine Weile darüber nach und sagt nur „Hmmm …“, wenn es nicht so gut geht. Dann schüttelt sie den Kopf und fängt an zu lachen.
Luciana Ferrando
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