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Archiv-Artikel

„Eine Seifenoper“

Die SPD-Linke Sigrid Skarpelis-Sperk nahm an der Abstimmung über die Vertrauensfrage nicht teil

taz: Warum haben Sie nicht abgestimmt?

Sigrid Skarpelis-Sperk: Weil ich erhebliche politische und verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Verfahren habe. Es schadet meines Erachtens dem Ansehen und der Funktionsfähigkeit der parlamentarischen Demokratie. Mit der taktisch begründeten Entscheidung, Neuwahlen herbeizuführen, hat Gerhard Schröder seine persönliche Befindlichkeit und nicht die politische Realität in den Mittelpunkt gestellt. Die öffentliche Debatte hat mich eher an eine Seifenoper als an eine ernsthafte politische Auseinandersetzung um die Zukunft unseres Landes erinnert. Ein menschlich noch so verständlicher Wunsch eines Kanzlers rechtfertigt das vorzeitige Ende einer Legislaturperiode noch nicht. Das hat auch Willy Brandt 1982 so gesehen, als er die Entscheidung Helmut Kohls kritisierte, den Bundestag auflösen zu lassen.

Was hat Brandt bemängelt?

Dass ein Kanzler, hinter dem die Mehrheit des Parlaments sichtbar in der Gesetzgebung steht, nicht nach eigenem Ermessen das Ende der Legislaturperiode herbeiführen sollte. Das gestattet unsere Verfassung nicht.

Schröder sagt, dass er eben nicht mehr über eine stabile Mehrheit verfüge, und schiebt unter anderem Ihnen die Verantwortung dafür zu.

Davon fühle ich mich nicht angesprochen. Ich habe den Kanzler in allen Abstimmungen, die die Kanzlermehrheit erforderten, gestützt. Ich habe seine Politik in all diesen Fällen mitgetragen, mit welchem Bauchgrimmen auch immer. Allerdings sind es die SPD-Linken gewesen, die die Proteststimmung im Lande aufgenommen und zur Sprache gebracht haben. Diese Stimmung in der Bevölkerung hat der Kanzler nicht ernst genommen. Man kann nicht permanent am Volk vorbeiregieren und dann denen die Schuld geben, die darauf hinweisen. INTERVIEW: HANNES KOCH