: Proteste gegen Obamas Politik
GESUNDHEITSREFORM Mehrere Zehntausend demonstrieren in Washington gegen die Vorhaben des US-Präsidenten. Sie sind Teil einer konservativen Basisbewegung
AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF
„Trampel nicht auf mir herum“ stand auf gelben Fähnchen zu lesen, die am Samstag vor dem Kapitol in Washington flatterten. Gut gelaunt und laut protestierten dort mehrere zehntausend konservative Demonstranten gegen die von US-Präsident Barack Obama angestrebte Gesundheitsreform. „Uns gehört die Kuppel“, sangen sie immer wieder und zeigten Richtung Kongressgebäude. Sie protestierten damit gegen eine Reihe von Obamas Regierungsinitiativen, die, wie immer wieder gerufen wurde, nur dazu dienen würden, die USA „sozialistisch“ zu machen und zudem verfassungswidrig seien.
Der Sternmarsch konservativer Kritiker war die bislang größte Protestveranstaltungen gegen Obama seit dessen Amtsantritt im Januar. Die Angereisten, mehrheitlich Familien mit Kindern, warnten zudem vor einer Explosion der Staatsausgaben und einem Abdriften Amerikas in den Staatskapitalismus. Wieder dabei und längst Signet der Anti-Obama-Bewegung: ein Plakat, auf dem Obama als böser „Joker“ aus der Batman-Story zu erkennen ist, darunter: „Socialism“.
Die, die kamen, sind Teil einer locker vernetzten Bewegung, die gerade dabei ist, sich herauszubilden und Ausdruck einer stärker werdenden Anti-Obama-Stimmung ist. In den konservativen Provinzen hat der Protest zudem rassistische Untertöne. Unzufrieden mit der Republikanischen Partei, der es seit ihrer Wahlniederlage im November 2008 schwerfällt, ihren Kurs zu finden, meinen viele US-Bürger, nun selbst agieren zu müssen.
Bereits im Frühling hatten konservative Organisationen landesweit sogenannte „Tea Parties“ organisiert, auf denen gegen die vermeintlichen Steuererhöhungen protestiert wurde, die Obama nie in diesem Sinne vorgeschlagen hatte. Im Sommer folgten dann inszenierte Streitereien bei sogenannten Rathaustreffen, bei denen konservative Organisatoren eine Reihe von falschen Fakten nutzten, wie von Obama angeblich geplante Euthanasietribunale, um verunsicherte und konservative US-Bürger gegen die Gesundheitsreform aufzuhetzen.
Zu den Organisatoren gehören FreedomWorks, eine in Washington ansässige Gruppe unter Vorsitz des früheren republikanischen Mehrheitsführers im Abgeordnetenhaus, Rickard Armey, und das ResistNet. Es sind kleine, straff geführte Gruppen, die in Kooperation mit kommerziellen Werbeagenturen solche und ähnliche Protestkampagnen organisieren, die selbst innerhalb des Spektrums des US-amerikanischen Konservatismus als „extrem“ gelten, jedoch gegenwärtig populär sind.
Weder gaben die Sicherheitsbehörden offizielle Zahlen der TeilnehmerInnen bekannt, noch wollte das Weiße Haus den Protest kommentieren. Beobachter meinten in Talkshows, dass die große Menge an Demonstranten zeige, dass Obamas leidenschaftliche Rede zur Verteidigung seines Reformvorhabens vom vergangenen Mittwoch wohl wirkungslos verpufft sei.
Obama sprach unterdessen in Minneapolis vor rund 15.000 begeisterten Anhängern. Er versprach, dass in den USA keiner mehr durch Krankheit in den Ruin stürzen soll, eine Gefahr, die derzeit auch für die US-Mittelschicht bestehe – eben jenen Menschen, die ein paar hundert Kilometer weiter südlich gegen ihn protestierten.