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Archiv-Artikel

Blumige Worte vom Minister

Jürgen Trittin stimmt die verunsicherten NRW-Grünen auf den Wahlkampf ein. Die Landesdelegierten nominieren alte Bekannte für den Bundestag. Kritik ist genauso wenig gefragt wie neues Personal

AUS DÜSSELDORF ANDREAS WYPUTTA

Der Anfang des grünen Landesparteitags ist Unsicherheit. „Der Trittin macht sich aber stark“, wundert sich ein NRW-Landtagsabgeordneter über die Rede des noch amtierenden Bundesumweltministers: „Dabei ist die Stimmung doch eher gedrückt.“

Doch Trittin weiß, was er als Hauptredner den NRW-Grünen schuldig ist. Der Parteilinke gibt sich angriffslustig, heizt am Samstag vor allem der CDU-Bundesvorsitzenden Angela Merkel gehörig ein. Die Christdemokraten stünden nicht mehr für die soziale Marktwirtschaft, seien die „Partei der Merzens und der kalten Herzen“. Der Anti-Gewerkschaftskurs von Merkel und FDP-Chef Guido Westerwelle führe zu „Lohndumping“, die Kopfpauschale der CDU-Chefin sei „unsolidarisch“. Auch die neue Linkspartei schont der Minister nicht. Deren NRW-Spitzenkandidat Oskar Lafontaine habe sich mit seiner Warnung vor „Fremdarbeitern“ mehr als „vergaloppiert“, findet Trittin: „Wenn sich ein solches Menschenbild auf der Linken durchsetzt, will ich kein Linker mehr sein.“ Rot-Grün in Berlin dagegen steht bei Trittin für den Atomausstieg, für hunderttausende neue Jobs durch die erneuerbaren Energien. Zwar müssten die Hartz-Reformen nachgebessert werden, doch fordere Hessens CDU-Ministerpräsident Roland Koch für Arbeitslose seit langem den Zwang zu gemeinnütziger Arbeit ohne jede finanzielle Gegenleistung: Die Ein-Euro-Jobs werden zur sozialpolitischen Wohltat, Rot-Grün zum Kompass in schwieriger Zeit. Am Jackett trägt der Minister kleine grüne Boxhandschuhe – „als Zeichen für einen knüppelharten Wahlkampf“. Die Delegierten danken die warmen Worte immer wieder mit starkem Applaus, als einziger Redner bekommt Trittin Standing Ovations.

Danach ist die Stimmung wie ausgewechselt. Die vom Guten überzeugten Grünen machen sich gegenseitig Mut, setzen auf die Zugkraft ihrer Parteiprominenz: Ohne Gegenkandidatur besetzen Nordrhein-Westfalens Ex-Umweltministerin Bärbel Höhn und Landesparteichefin Britta Haßelmann die Listenplätze eins und drei. Im Kampf um Platz zwei verliert der Kölner Rechtsexperte Volker Beck zwar gegen den Umweltpolitiker Reinhard Loske aus Leverkusen, bekommt dafür aber – ebenfalls ohne Gegenkandidaten – Platz vier.

Wenig Kritik einstecken muss selbst Markus Kurth, sozialpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion. „Abwehrspieler“ sei er gewesen, jammert der Dortmunder: Und das „gegen einen Stürmer wie Wolfgang Clement, dem es egal ist, ob er das eigene oder das gegnerische Tor trifft.“ Ohne Widerspruch verweist der Sozialpolitiker auf den „Münsteraner Appell“, der eine verbesserte Arbeitsmarktpolitik fordert – unterschrieben hat Kurth nicht.

Gegen den Biobauern Friedrich Ostendorff aus Unna setzt sich Kurth trotzdem im ersten Wahlgang durch. „Was sollen wir in der Fraktion mit einem dritten Agrarexperten neben Höhn und Bundesumweltministerin Renate Künast“, fragt ein Delegierter resigniert. Die „armutsfeste Grundsicherung“ müsse ausgebaut werden, bestimmt der Parteitag am Sonntag – nennt aber keine Zahlen.

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