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Archiv-Artikel

„Die Leute wissen doch gar nichts von Afrika“

Zehn Stunden feierten über 200.000 Besucher beim Live-8-Konzert vor der Siegessäule. Sie waren Teil einer Demonstration – nicht alle wussten das

VON KATHI PREPPNER

Vom Brandenburger Tor in Richtung Siegessäule führt die Straße des 17. Juni immer dichter ins Getümmel. Vorbei an Bierzelten, Grillbuden und Dixi-Klos, an Ständen von Linksruck, Attac und der Sozialistischen Alternative, immer weiter rein in die Menge der laut Polizei über 200.000 Menschen, die zu Live 8 an die Siegessäule gekommen sind. Doch was spielt am Samstag auf und vor der Bühne eigentlich die Hauptrolle: Party mit Pop und Büchsenbier oder Politik für die Armen Afrikas?

Campino, Sänger der Toten Hosen, ruft gleich zu Beginn des kostenlosen Konzerts um 14 Uhr von der Bühne aus: „Das hier ist kein Rockkonzert, sondern eine Demonstration.“ Für manche Besucher liegt der Schwerpunkt allerdings woanders: „Ich bin wegen Audioslave und Green Day hier“, sagt Paul Hermann aus Potsdam, sein Freund Theo Bonick nickt heftig und ergänzt: „Und wegen Afrika – na ja, nicht direkt.“ Die beiden 17-Jährigen stehen mitten im Gewühl vor einer der vier Leinwände. Immerhin: Bei der Unterschriftenaktion im Internet hätten sie schon mitgemacht. Auch rote und weiße Armbänder haben sie gekauft und damit je zwei Euro an „Gemeinsam für Afrika“, einen Zusammenschluss von Hilfsorganisationen, gespendet.

Michaela Orizu und Anja Höfer verkaufen die Bänder an die Festivalbesucher. Das Interesse sei groß, berichten sie: „Viele sagen: Ach, wenn’s für einen guten Zweck ist, nehm ich eins.“

Auch Moderatorin Anne Will, sonst Anchorwoman der ARD-Tagesthemen, wird nicht müde, das Anliegen von Organisator Bob Geldof zu erklären: „Wir wollen, dass der extremen Armut in der Welt ein Ende bereitet wird.“ Den Slogan „Make Poverty History“ kann irgendwann auch der letzte Bap-Fan nachbeten, so oft wird er wiederholt. Damit ist zumindest die politische Botschaft der Veranstaltung auch bei jenen Besuchern angekommen, die vor allem wegen Herbert Grönemeyer, A-ha oder Ex-Beach-Boy Brian Wilson hergekommen sind.

Besucher Klaus Lieshoff, der mit seiner Familie auf das Konzert gekommen ist, weiß grob, worum es geht. Dass Live 8 sich auf den G-8-Gipfel bezieht, bei dem über den Schuldenerlass der ärmsten Länder Afrikas debattiert wird, war dem 68-Jährigen allerdings nicht klar. Er engagiere sich sonst nicht politisch. „Was soll man auch machen, man kann ja nur hier sein“, sagt er.

Genau da sieht Imagbe Agbonkonkon das Problem: „Viele wissen nicht, wie sie helfen können“, sagt der 46-jährige Nigerianer, der sich an einem Bierstand am Rande einen Teil des zehnstündigen Konzerts anschaute. „Wenn du die Leute hier fragst – die kennen die Geschichte Afrikas gar nicht. Die wissen nicht, dass die G-8-Länder auch viel von Afrika genommen haben.“

Und die Musiker? Sie wollen den Besuchern das Gefühl geben, etwas bewirken zu können. Tom Morello, Gitarrist von Audioslave, sagt: „Today your voice will make history and change the world.“ Da beschwert sich kaum jemand über den Klang, der an manchen Stellen der langen Straße recht dünn war.

Wenn die Besucher auch aus unterschiedlichen Beweggründen hergekommen seien, ein Zeichen haben sie sicherlich gesetzt, glaubt Petra Perrot aus Berlin: „Diesem weltweiten Druck von der Straße können die Politiker doch nicht standhalten.“

Das Live-8-Konzert ist für die Organisatoren aber erst der Auftakt zu einer Woche des Protestes. Gestern fuhren gesponserte Busse vom Brandenburger Tor aus zum G-8-Treffen nach Edinburgh. Ob mit Bier und Musik oder ohne – auch dort soll noch einmal Druck gemacht werden.

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