: Rechter Maoismus
Dänemarks Regierung bläst zum „Kulturkampf“ gegen den öffentlich-rechtlichen „Rotfunk“. Ziel: Änderung der Mentalität der BürgerInnen
AUS KOPENHAGEN REINHARD WOLFF
Brian Mikkelsen hat offenbar ein Trauma. Als Gymnasiast wurde er von MitschülerInnen gehänselt, wenn er versuchte, rechtsgerichtete Flugblätter zu verteilen. Das war Anfang der Achtzigerjahre und Mikkelsen erzählt die Geschichte zu jeder passenden Gelegenheit – es scheint ihn sehr geprägt zu haben. Brian Mikkelsen ist mittlerweile dänischer Kultusminister. Und darf nun endlich zurückschlagen. In der vergangenen Woche blies er zum „Kulturkampf“ gegen die vermeintliche Vorherrschaft der Linken im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Fernsehen.
Mit Hilfe der Stimmen der ausländerfeindlichen Dänischen Volkspartei setzte die konservativ-rechtsliberale Regierungskoalition unter Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen eine Kommission ein, welche die „Vielseitigkeit, Sachlichkeit und Neutralität“ der beiden öffentlich-rechtlichen Sender DR und TV 2 untersuchen soll. Das klingt erst mal nicht weiter bedenklich.
Doch die Kommission soll auch die „redaktionellen Milieus und Kulturen“ durchleuchten. Im Klartext: Alles soll unter die Lupe genommen werden. „Wir nehmen doch nur die Debatte auf, die in der Öffentlichkeit über die Qualität der öffentlich-rechtlichen Nachrichtenvermittlung konstant geführt wird“, erklärt Mikkelsen selbst ganz unschuldig diesen bislang beispiellosen Versuch des Eingriffs in die Unabhängigkeit der Öffentlich-Rechtlichen.
Eine Debatte über die ein oder andere Sendung gibt es natürlich immer. Und dass es der Regierung nicht in den Kram passte, als DR sich die Freiheit nahm und nicht in kritiklose Kriegspropaganda ausbrach, als Kopenhagen sich auf die Seite der „Willigen“ schlug und mit Bush und Blair in den Irakkrieg zog, kann nicht verwundern.
Doch was die „Qualität der Nachrichtenvermittlung“ angeht, kommt Kritik vorwiegend von Mikkelsen & Co selbst und der ihm nahe stehenden konservativen Presse. DR mag hin und wieder etwas links von der jetzigen Regierung stehen – was nicht allzu schwer ist –, dafür kann diese sich auf TV 2 meist verlassen. Wofür der Kanal dann auch regelmäßig sozialdemokratische Prügel einstecken muss. Der Parteienproporz funktioniert also eigentlich. So dass das jetzige Vorhaben kaum anders als der „Schlag gegen die Pressefreiheit in Dänemark“ zu verstehen ist, den der stellvertretende Vorsitzende des Journalistenverbandes, Fred Jacobsen, befürchtet, sollte es zur Kontrolle der Redaktionen kommen.
Da die von den Parlamentsparteien in die Aufsichtsgremien der Sender gesandten AufpasserInnen schon jetzt mehr als genug Einfluss ausüben und dafür sorgen, dass ihre Farben nicht zu kurz kommen, sucht nicht nur der Schriftsteller Jan Sonnergaard in Mikkelsens Gymnasiumserfahrungen nach einer Erklärung für dessen von ihm als „Maoismus mit anderen Vorzeichen“ kritisierten Sturmlauf: „Was muss es uns jetzt scheren, ob es Brian Mikkelsen im Gymnasium gut oder schlecht ging?“
Ziel der Regierung und der Dänischen Volkspartei sei offenbar, „Beweise dafür auf den Tisch legen zu können, dass DR einseitig links berichtet“, vermutet Frands Mortensen, Medienforscher an der Universität Aarhus. „Machtvollkommenheit“, urteilt Mortensen über solchen Versuch der Detaileinmischung mit dem Ziel, zur Selbstzensur zu veranlassen.
Doch die ist beabsichtigt. Wie Mikkelsens ausdrücklicher Hinweis darauf klar macht, die jetzige Medienkontrolle sei Teil des vor drei Jahren von der Regierung Rasmussen ausgerufenen „Kulturkampfs“. Der martialisch klingende Begriff, der Bismarcks Kampf gegen den Einfluss der katholischen Kirche bezeichnet, wurde tatsächlich aus dieser Zeit in den dänischen Sprachgebrauch übernommen. Er diente zur Zeit der Nazibesatzung als Synonym für die Verteidigung demokratischer Werte und wurde von Anders Fogh Rasmussen in den Neunzigerjahren wieder aus der Schublade geholt. Diesmal, um die von ihm als „modern“ verstandene neoliberale Strategie gegen den „traditionellen“ Wohlfahrtsstaat zu kennzeichnen. Dieser Kampf würde nur gelingen, wenn er von einem „Kampf der Werte“ begleitet werde, der die Mentalität der DänInnen ändere.
Von der „Normalisierung“ des Freistaats Christiania bis zur Festlegung eines Kanons an dänischem Kulturgut, der nun an den Schulen gelehrt werden muss, reichte bislang dieser „Kulturkampf“. Jetzt sind die Medien dran. Ein Versuch der Gleichschaltung für Jan Sonnergaard: „Das ist genauso stupide wie das, was sich die dümmsten Universitätsmarxisten in den Siebzigerjahren leisteten. Nur mit umgekehrten Vorzeichen.“