Meeresschutz ohne Biss

BIODIVERSITÄT WWF fordert weitere Nationalparks in Nord- und Ostsee. Fischfang, Schifffahrt und Ölförderung innerhalb bestehender Schutzgebiete bedrohen die Meeresumwelt

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Die Ausweisung weiterer Meeresschutzgebiete vor den deutschen Küsten fordert die Umweltstiftung WWF. Die bestehenden Naturschutzflächen in Nord- und Ostsee verdienten ihren Namen nicht, kritisiert WWF-Meeresexperte Jochen Lamp: „Es sind Schutzgebiete ohne Schutzbestimmungen, die ausgebeutet werden wie vor ihrer Einrichtung.“

Deshalb hat der WWF auf einer internationalen Meeresschutztagung in Stralsund die Einrichtung von Nationalparks vorgeschlagen. Für diese Gebiete gebe es international gültige und anerkannte Kriterien von der Weltnaturschutzunion IUCN, die nutzungsfreie Bereiche und klare Anforderungen an Management und Verwaltung verlangt. Nach Ansicht des WWF ist dies die beste Möglichkeit, um die noch vorhandene biologische Vielfalt in den deutschen Meeren zu erhalten. „Einige wichtige Teile der deutschen Nord- und Ostsee weisen noch eine so große Natürlichkeit auf, dass sie den höchsten Schutzstatus für großräumige Naturschutzflächen verdienen“, sagt Lamp.

Rund 220 Vertreter von Behörden, staatlichen und nichtstaatlichen Naturschutzorganisationen und Forscher aus 20 Ländern beraten bis Freitag in Stralsund über den Schutz der Meere. Weltweit stehen nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) erst rund ein Prozent der Meeresfläche unter Schutz. In deutschen Hoheitsgewässern sind rund 45,4 Prozent der Meeresfläche (Nordsee rund 51 Prozent, Ostsee rund 43 Prozent) geschützte Gebiete. Damit sei Deutschland zwar international führend, allerdings fehlten noch rechtsverbindliche Vorschriften, um den Schutzstatus mit Leben zu füllen. Diese sollen bis 2013 erarbeitet werden.

Das mit Abstand größte Schutzgebiet bilden die drei Nationalparks Wattenmeer von Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen an der Nordseeküste, weitere große Nationalparks in der Ostsee liegen vor allem vor der Küste Mecklenburg-Vorpommerns. Allerdings gelten überall diverse Ausnahmen für die Schifffahrt, den Fischfang oder den Abbau von Sand und Kies.

Eines der größten Ärgernisse für Naturschützer ist die Ölförderung durch die Bohrinsel Mittelplate nordwestlich der Elbmündung mitten im Wattenmeer. Diese soll nach den Plänen des Energiekonzerns RWE Dea sogar noch ausgeweitet werden.

In den Schutzgebieten mit Riffen und Sandbänken müsse auf die Grundschleppnetzfischerei verzichtet werden, weil sie die Flora und Fauna am Meeresboden zerstöre, verlangte BfN-Präsidentin Beate Jessel am Dienstag in Stralsund.

Zudem sollten in Schutzgebieten räumlich und zeitlich begrenzte Fangverbote gelten, damit sich die Bestände erholen können, und um Meeressäuger wie Schweinswale besser zu schützen, findet Jessel. Ziel müsse es sein, „gesunde Fisch-, Krebs- und Muschelbestände innerhalb sicherer biologischer Grenzen zu erhalten sowie andere Meeresorganismen und Lebensräume zu schützen“.