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Archiv-Artikel

Choreografisches Coaching

ARBEITSLOSE Tanz als letzte Chance: In Bremen finanziert die Arbeitsagentur ein künstlerisches Projekt für Langzeitarbeitslose. Das Projekt wurde filmisch begleitet, heute ist das Ergebnis im Kino zu sehen

Die junge Frau schaut nicht allzu euphorisch in die Kamera. „Wenn man sich bewegen kann, wie man will, ist das schon ein Stück Freiheit“, sagt sie dann – „und man hat ja sonst nicht so viel Freiheit im Leben.“ Das gilt insbesondere für Anna (Name geändert) selbst: Nach allerlei abgebrochenen Ausbildungen schienen ihre beruflichen Zukunftschancen ausgeschöpft. Jetzt nimmt sie am Bremer Projekt „U 25 – come and dance!“ teil, das filmisch begleitet wird.

Das Konzept: Langzeitarbeitslose haben über einen Zeitraum von sechs bis 12 Monaten wöchentlich sechs Stunden Training in zeitgenössischem Tanz, kombiniert mit Seminaren und Praktika – das hat es in der Welt der Arbeitsagenturen und Ein-Euro-Job-Träger bislang nicht gegeben. „Am Anfang hatten wir damit ein Problem“, sagt Frank Holland-Moritz von der Bremer Arbeit GmbH (BAG), die die „Maßnahme“ mit der „Bremer Agentur für Integration und Soziales“ (Bagis) finanziert. Doch jetzt sei man begeistert: Es gebe eine überdurchschnittliche Vermittlungsquote der Teilnehmerinnen zu Schulen und Arbeitsstellen – auch bei Leuten, „bei denen vorher an so etwas nicht zu denken“ gewesen sei.

Wer bekommt überhaupt die Chance auf ein Tanz-Coaching? Holland-Moritz’ Kollegin Carmen Schmidt-Stuppi definiert die TeilnehmerInnen als Menschen „mit großem Stabilisierungsbedarf“: Junge Frauen unter 25 Jahren im Hartz IV-Bezug, bei denen Ausbildungs- oder Jobbemühungen gescheitert sind. Für Holland-Moritz folgt das Projekt gar einem „Ultimo-Ratio-Prinzip“: Wer anderswo nicht mehr weiter kommt, soll tanzen.

„Come and Dance“, initiiert vom Bremer Frauen-Beschäftigungsträger „Quirl“, setzt auf die Entwicklung der oft bemühten „Soft Skills“: Soziale Kompetenz, Mut, Selbstvertrauen. BAG-Frau Schmidt-Stuppi drückt es so: „Die Frauen kommen gebeutelt herein und mit breiter Brust wieder heraus.“ Damit Tanztraining eine solche Wirkung entfalten kann, ist aber auch der Glücksfall einer Choreografin wie Anne-Katrin Ortmann vom Bremer „Tanzwerk“ notwendig: Ortmanns sensibler und anfeuernder Arbeitsstil hilft den Frauen über Motivationslöcher hinweg.

Dass man diese Entwicklungen eindrucksvoll nachvollziehen kann, ist der Filmemacherin Monika B. Beyer zu verdanken. Ihre Dokumentation ist so nah dran an den ProtagonistInnen, weil Beyer im Projektprozess tatsächlich „drin“ war: Sie erarbeitete mit den Frauen Farb- und Projektionsflächen, die Teil der Abschlussperformance wurden. Wenn man nun sieht, wie Anna vor einem rot gemustertem Lichtteppich über die Bühne wirbelt, ist das ein ähnlich beeindruckendes – sogar beglückendes – Bild, wie man es von Royston Maldoons Projekten à la „Rhythm is it!“ an Problemschulen kennt. Doch während der Brennpunkt-Choreograph Maldoon auf die Sogkraft der Masse und tendenziell bombastischer orchestraler Werke setzt, geht es bei „Come and Dance“ um eine so behutsame wie effiziente Stärkung individueller Kompetenzen. Vermutlich ist das der nachhaltigere Weg. HENNING BLEYL

Filmpremiere: 19 Uhr, Bremer Schauburg