: „Wir brauchen soziale Netze“
UNRUHEN Die Armen in den Großstädten leiden am meisten unter den Folgen der Krise, sagt Donald Kaberuka. Um Ihnen zu helfen, braucht Afrika Geld
57, ist seit 2005 Präsident der Afrikanischen Entwicklungsbank. Zuvor war der promovierte Ökonom acht Jahre lang Finanzminister von Ruanda.
INTERVIEW FRANÇOIS MISSER
taz: Herr Kaberuka, ist die Weltwirtschaftskrise in Afrika vorbei oder kommt das Schlimmste erst noch?
Donald Kaberuka: Ganz ehrlich: Das kann niemand sagen. Es gibt Anzeichen in beide Richtungen. Die Kaufkraft steigt wieder an, und die Kreditvolumen nehmen wieder zu, aber es gibt auch gegenteilige Signale. Sehen Sie, als Afrikaner weiß ich, dass verschiedene Länder sehr unterschiedlich betroffen sind, vor allem anhand ihrer Außenhandelsstruktur.
Haben Sie ein paar Beispiele?
Botswanas Wirtschaft, die stark von Diamanten als einziges Ausfuhrprodukt abhängt, ist um 12 Prozent geschrumpft, obwohl das Land als Modell guter Regierungsführung gilt. Man kann also nicht sagen, dass Korruption oder schlechte Regierungsführung der alleinige Grund für Afrikas gegenwärtige Probleme sind. Es hängt vom Ausmaß der Außenabhängigkeit und der Möglichkeit zur schnellen Reaktion ab. Lesotho leidet zum Beispiel daran, dass das benachbarte Südafrika in der Krise steckt. Das liegt an der Geografie: Lesotho ist komplett von südafrikanischem Territorium umgeben.
In welchen Maßnahmen sehen Sie die besten Chancen für afrikanische Staaten, die Krise zu überwinden?
Es gibt drei wesentliche Elemente. Viele Länder haben ihre Devisenreserven ausschöpfen müssen; zum Glück hat der IWF beim Londoner G-20-Gipfel einige Mittel gefunden, mit denen das kompensiert werden kann. Aber obwohl der G-20-Gipfel im April die Notwendigkeit betonte, Wachstum in Entwicklungsländern zu unterstützen, landet nur ein winziger Anteil der in London angekündigten zusätzlichen Gelder bei den ärmsten Ländern der Welt. Es gibt also ein Problem, über das beim nächsten G-20-Gipfel in Pittsburgh gesprochen werden muss. Die Entwicklungsbanken und Regionalbanken haben zu wenige Mittel, um die neu aufgetretenen nationalen Haushaltslöcher zu stopfen. Was könnte man darüber hinaus noch tun?
Man muss auch die Haushalte selbst ansehen und überprüfen, wo genau die Einnahmen eingebrochen sind. Und drittens gibt es Länder, wo die Bevölkerung keinen sozialen Schutz hat.
Wer ist von dieser dramatischen Entwicklung am meisten betroffen?
Die Armen in den Großstädten. Das kann zu Unruhen führen. Wir brauchen soziale Netze in Afrika. Das kostet Geld. Die EU, die ziemlich viel Geld in die Entwicklungshilfe steckt, sollte jetzt verstärkt Ländern helfen, die gerade aus der Krise finden, Länder wie Burundi. Ich hoffe, dass wir in Pittsburgh sowohl über die Ankurbelung der weltweiten Nachfrage sprechen als auch über Fragen der Regulierung der Weltwirtschaft, damit die unterentwickelten Länder wieder zu Wachstum finden können.
Es gibt unter Geldgebern keine Einigkeit darüber, wie man armen Ländern helfen sollte. So schließt ein Land wie Kongo Kreditverträge mit China ab und wird dafür von internationalen Finanzinstitutionen unter Druck gesetzt. Was ist Ihre Meinung?
Da geht es ganz klar um Druck internationaler Organisationen. Für die Afrikaner ist es wichtig, dass die Auslandsschulden überschaubar bleiben. Ein Land wie der Kongo braucht Infrastruktur und sucht die Mittel dafür dort, wo es sie kriegt. Nun ist die Frage, ob es die Infrastruktur bekommt, ohne dass seine Schulden langfristig ausufern. Ich denke, dass dafür eine Lösung gefunden wird, die es erlaubt, die Ziele zu erreichen.