: „Frauen bringen mehr Ertrag“
MANAGEMENT Die Krise ist eine große Chance für Frauen, die Topjobs wollen, sagt Mary Ellen Iskenderian. Denn sie gehen weniger Risiken ein und sie investieren nachhaltiger
50, ist Präsidentin und CEO von Women’s World Banking in New York, ein Netzwerk von 40 Mikrofinanzierern und Banken, die Kleinkredite vor allem an Unternehmensgründerinnen weltweit vergeben. Zuvor war sie 17 Jahre lang Senior-Managerin bei einer Tochter der Weltbank. Ihre berufliche Karriere begann sie bei Lehman Brothers.
INTERVIEW STEPHAN KOSCH
taz: Mrs Iskenderian, der Chef der Schweizer Bank Credit Suisse hat kürzlich gesagt, dass die Banken besser dastünden, wenn mehr Frauen in verantwortlichen Positionen gewesen wären. Dürfen sich die Nachwuchsbankerinnen nun auf neue Topjobs freuen?
Mary Ellen Iskenderian: Zumindest ist das gerade eine ganz große Gelegenheit für Frauen, die Führungspositionen anstreben. Ich habe Bankmanager jedenfalls noch nie so offen über dieses Thema reden hören wie gegenwärtig. Die Wirtschaftskrise ist ja ein starkes Beweisstück dafür, dass alle Gremien, egal ob Vorstände oder Projektteams umso bessere Entscheidung treffen, je unterschiedlicher die Mitglieder sind.
Was meinen Sie damit?
Die Statistiken sind eindeutig: Weibliche Investmentbanker gehen selbst in Boomzeiten weniger Risiken ein als ihre männlichen Kollegen, was eine möglicherweise weniger Gewinn bringt, aber eine kontinuierlichere Entwicklung ihrer Erträge. Damit schützen Sie ihre Institute vor einem tiefen Fall in wirtschaftlichen Krisen wie diesen. Und wenn mindestens drei Frauen in einem Leitungsgremium einer Bank sitzen, wird eine solche Perspektive auch von den Männern ernstgenommen.
Wäre eine Lehman-Sisters-Bank also nicht Konkurs gegangen, wenn es sie gäbe?
Die Erfahrung aus unserem Arbeitsbereich ist: Das Ausfallrisiko bei Krediten, die an Frauen vergeben werden, ist deutlich geringer ist als bei Männern. In Firmen, die von Frauen geleitet wurden, sind die Erträge über einen langen Zeitraum gesehen dauerhaft deutlich höher. Denn sie investieren nachhaltiger als Männer, zum Beispiel viel stärker in die Ausbildung ihrer Kinder, was langfristig für krisensicherere Strukturen sorgt.
Abgesehen von der Geschlechterfrage: Was können Banker noch von dem Geschäft mit Mikrokrediten lernen?
Es sind ganz einfache Dinge. Unser Geschäft basiert darauf, dass wir unseren Kunden genau kennen. Das bedeutet auch, dass wir das Risiko eines Ausfalls einschätzen können. Und das unterscheidet uns von vielen Geschäftsbanken, die in der Vergangenheit nicht mehr überblickt haben, welche Risiken sie eingegangen sind. In der Mikrofinanzbranche übernehmen wir eben einfach kein Risiko, wenn wir nicht genug darüber wissen.
Welche Folgen hat die Weltwirtschaftskrise für Ihre Branche?
Was unsere Kunden angeht, werden wir das erst in einigen Monaten sagen können. Auf der Seite der Banken gibt es kein grundsätzliches Problem, Projekte zu finanzieren. Aber das ganze Geschäft wird mehr und mehr auf den Dollar ausgerichtet.
■ Women’s World Banking (WWB) ist das größte bestehende Netzwerk der Mikrofinanzbranche. WWB berät die Banken und setzt sich für Qualitätstandards in der Branche ein. Zudem sieht sie sich als Vermittler zwischen großen Banken und den Mikrofinanzierern vor Ort.
■ Die WWB-Mitgliedsbanken haben gegenwärtig Kredite in einem Wert von rund 4 Milliarden Euro an Unternehmensgründer vor allem in Entwicklungsländern ausgegeben. Mittlerweile werden solche Kredite aber auch in Industrieländern angeboten. Drei von vier Kreditnehmern sind Frauen, deren Förderung sich WWB vor allem verschrieben hat.
■ Die Organisation mit Sitz in New York wurde 1979 gegründet. Sie finanziert sich vor allem aus Spenden und Zuwendung. Das Geld kommt unter anderem von niederländischen Außenministerium und dem britischen Entwicklungshilfeministerium, aber auch von Stiftungen der Deutschen Bank und der Citigroup. (step) www.swwb.org
Wo ist das Problem?
Die lokalen Währungen und Finanzprodukte trocknen aus, weil keine internationale Bank mehr das Währungsrisiko tragen will. Und die Banken, die Mikrokredite vergeben, haben oft eine zu geringe Kapitalausstattung, weil ihre Kunden eben nicht viel Geld haben, das sie bei der Bank anlegen können. Women World Banking kann in solchen Fällen zum Teil Kreditgarantien für diese Institute geben oder im Verbund mit anderen Banken das Währungsrisiko übernehmen. Das geht aber nur bis zu einem gewissen Grad.
Gibt es auch positive Auswirkungen?
Ja, die Mikrofinanzbranche wird für viele ein interessantes Geschäftsfeld, die sich bisher nicht darum gekümmert haben. Es geht ja bei uns schon seit einiger Zeit nicht mehr nur um Kredite an Unternehmensgründer, sondern auch um Geldanlagemöglichkeiten und Altersvorsorge für Menschen, die sich das bislang nicht leisten konnten. Das könnten auch neue Kunden für Banken sein, die ihr Geschäftsmodell ändern müssen. Ich gehe jedenfalls davon aus, dass die Krise die Entwicklung unserer Branche beschleunigen wird.