: Stilles Kürzen im Vorfeld
Niedersachsens Finanzminister lädt zur Spar-Klausur, wobei gut möglich ist, dass vor der geplanten Bundestagswahl keine Beschlüsse öffentlich werden. Studenten protestieren in Sachen Bildung
von Kai Schöneberg
Über einen „erneuten Wortbruch“, der das Land „teuer zu stehen kommen“ werde, ätzte gestern die niedersächsische SPD-Fraktion, nachdem Zeitungen spekuliert hatten, das Land wolle seine zehn Landeskrankenhäuser verscherbeln oder neu strukturieren. Dabei geht es nur um ein Sparpotential von höchstens 16 Millionen Euro. Peanuts im Vergleich zum Etatloch in Höhe von einer Milliarde Euro, das das Kabinett unter Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) heute bei der Sparklausur in Hildesheim im Haushalt für das Jahr 2006 füllen will.
Konkrete Sparhämmer sind allerdings erst mal nicht zu erwarten – oder zumindest sind sie im Vorfeld der Hildesheimer Kürzungstage nicht durchgesickert. Und doch will Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) sein Versprechen einlösen, die Neuverschuldung in 2006 um 350 Millionen auf 1,8 Milliarden Euro zu senken. Weil CDU und FDP vor der geplanten Bundestagswahl aber nicht den Zorn der Wähler auf sich ziehen wollen, würde es Sinn machen, nicht allzu konkret zu werden. Kürzungen bei den Universitäten, dem Blindengeld und der Besoldung der Landesbediensteten hatten in der Vergangenheit unschöne Proteste nach sich gezogen.
So drang vor den Beratungen sogar nach außen, dass bei Sport-,Wohlfahrts- und Musikförderung nicht gekürzt werde. Viel spricht dafür, dass Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) seine Kollegen zu einer globalen Minderausgabe verdonnern wird. Das würde bedeuten, dass in allen Etats nach dem Rasenmäher-Prinzip gekürzt wird – etwa zehn Prozent sind im Gespräch –, aber erst nach dem 18. September bekannt wird, wo genau. Die Gewerkschafter von Verdi unken, dass an den Kosten für die 120.000 Landesbediensteten gedreht wird. Eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit scheint allerdings vom Tisch. „Die Beamten brauchen sich diesmal wenig Sorgen zu machen“, sagte Wulff vor Beginn der Klausur. Allerdings schließt das nicht aus, dass die Polizisten in Zukunft vielleicht erst mit 63 oder 65 Jahren statt in Pension gehen dürfen. Derzeit können sie sich mit 60 in den Ruhestand verabschieden.
Wenige Stunden vor der Klausur besetzten gestern Studenten das Präsidium der Uni Hannover, um gegen die geplante Einführung von Studiengebühren zu protestieren. Während die Studenten mit bis zu 500 Euro pro Semester ab dem Winter 2006 geschröpft werden sollen, könnten die Unis diesmal weitgehend ungeschoren davon kommen. Wissenschaftsminister Lutz Stratmann (CDU) hatte seinen Verbleib im Kabinett mit einem gleich bleibenden Uni-Etat verknüpft. Genauso hatte er gefordert, die Studiengebühren müssten komplett den Unis zufließen. Auf der Tagesordnung in Hildesheim steht deshalb sogar der seit langem versprochene “Hochschul-Pakt“. Inhalt: Die Landeszuschüsse werden auf dem Stand dieses Jahres eingefroren. Fragt sich nur, ob für drei, vier oder sogar fünf Jahre.
Wenn Stratmann dennoch zum Sparen gezwungen wird, dürfte es deshalb um die Mittel für Erwachsenenbildung gehen. Bei Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP) stehen Gelder für die Wirtschaftsförderer zur Disposition.
Vor der Hildesheimer Klausur will natürlich keiner auf Potentiale in seinem Etat hinweisen. Viel lieber sagen die Minister Protestlawinen voraus. Wie zum Beispiel Kultus-Chef Bernd Busemann (CDU), aus dessen Haus verlautete, Kürzungen hätten sofort Auswirkungen auf den Personalbestand der Lehrer.
„Spar Wars 3 - Die Rückkehr der Schattenhaushalte“ stand auf einem Plakat, das der grüne Fraktionschef Stefan Wenzel gestern präsentierte. In Hildesheim werde „die dunkle Seite der Macht mit am Tisch sitzen“, wenn „mit Schattenhaushalten, Scheinverkäufen und Vermögensentnahmen“ laviert würde, so Wenzel. Dabei werde „nichts besser: Der Schuldenberg beamt sich auf über 50 Milliarden Euro, das schwarze Haushaltsloch saugt die Materie aus dem Bildungsetat und die Milchstraße wird zur sozialen Sackgasse.“