: Die Bäuche der Besucher sind Knetmasse für den Bass
LO-FI-HIPHOP Der kalifornische Sänger Gonjasufi zelebrierte am Mittwoch bei seinem ersten Berlin-Konzert im Club Gretchen seinen überdrehten Eklektizismus. Seine Erscheinung war eine Spur bemerkenswerter als die Darbietung
Die Ankündigung hatte für einige Euphorie gesorgt: Gonjasufi kommt nach Berlin! Der versponnen-spiritualistische Sänger aus Las Vegas, der vor zwei Jahren mit einem Stilmix zwischen HipHop, Elektronik und psychedelischem Rock und seiner kratzig verzerrten Stimme eines der bemerkenswertesten Debütalben des Jahres vorgelegt hatte, sollte endlich einmal live zu erleben sein. Am Mittwoch war er zum Auftakt seiner Deutschland-Tour im vollbesetzten Kreuzberger Club Gretchen auf der Bühne zu hören. Im Vorfeld gab es aber auch wenig Unsicherheit. Denn Valentine Ecks, der sich wahlweise Valentine Sumach nennt, hatte 2010 nach dem Erscheinen seiner Platte angekündigt, er wolle jetzt erst einmal eine Live-Band zusammenstellen, und von Led Zeppelin, Jimi Hendrix und Black Sabbath als Vorbildern geschwärmt, sodass schon zu fürchten war, er würde sich seinen Berliner Fans zusammen mit einer Rockertruppe präsentieren.
Diese Angst stellte sich als unbegründet heraus. Auf seiner zu Beginn des Jahres erschienenen EP „Mu.zz.le“ hatte er seinen Ansatz lediglich in Richtung Groove vertieft, und auch Gonjasufis Live-Band bestand in der Hauptsache aus seinem Produzenten William Benjamin Bensussen alias The Gaslamp Killer am elektronischen Gerät, einem weiteren Keyboarder und einem DJ, der sich für die Dauer des Konzerts allerdings auf Tanzeinlagen und gelegentliche Zurufe zur Ermunterung des Publikums beschränkte. Statt Rock wurde also der gewohnt gegensatzfreudige Gonjasufi-Klang geboten, über dessen schwerem Beat gern mal eine leicht bedrohliche anmutende Orgelmelodie mäandert, die aus dem Soundtrack irgendeines B-Horrorfilms entwendet sein könnte. Obwohl der als Yogalehrer arbeitende ehemalige Junkie im Grunde ein optimistischer Mensch ist, der an Gott, aber an keine Religion glaubt, schwingt in seiner Musik immer eine Ahnung von Apokalypse mit. Dieser Eindruck wird durch sein äußeres Erscheinungsbild auch nicht gerade zerstreut. Das Gesicht des eher kleinen, muskulösen Mannes bleibt während des Auftritts halb unter einer dunklen Schiebermütze versteckt, die ihm nur vereinzelt bei seinen ausladenden Körperbewegungen vom Kopf fliegt und den Blick auf scheinbar meterlang wuchernde schwarze Dreadlocks und einen nicht minder imposanten Bart freigibt. Die Stimme lässt er durch Effekte noch stärker verzerren als in seinen Plattenaufnahmen, dazu dröhnt ein Bass, der vom Bauch abwärts das Körperinnere durchknetet, als wäre man beim großen Wettbrummen der Drone-Krachmeister Sunn 0))) und Konsorten gelandet.
Über die Länge des Konzerts wirkt das großzügig ausgepegelte Tieftonspektrum ein wenig ermüdend. Immer nur Bass ist auch nicht gut. Zudem leidet die Energie der Darbietung an den Stellen, an denen Gonjasufi beliebte Album-Songs wie „She’s Gone“, „Sheep“ oder „Kowboyz & Indians“ vorträgt, während im Hintergrund einfach die Tonspuren vom Computer durchlaufen. An diesen Stellen machen sich die Begrenzungen Gonjasufis als Sänger bemerkbar, der einige Schwierigkeiten mit genauem Timing hat.
Rauschmittel gesucht
Und das ungeachtet – oder gerade wegen? – einer kurzzeitigen Zäsur im Programm, bei der das Publikum wiederholt mit den Worten „Do you have smoke?“ um Unterstützung durch Rauschmittel gebeten wurde. Ins Gesamtkonzept passte das, selbst wenn das Kifferklischee als Bühnengestaltungsmittel nicht unbedingt Innovativität für sich beanspruchen kann. Schön war es allemal, Valentine Sumach in Aktion zu erleben, Abstriche hin oder her. Manche Künstler sind im Studio eben stärker als unter Live-Bedingungen, was ihrer Musik keinen Abbruch tut. Und über mangelnde Bühnenpräsenz braucht sich Gonjasufi schon gar keine Sorgen zu machen. TIM CASPAR BOEHME