: Die Mauerspechte sind zurück
Der monatelange Streit um die Holzkreuze am Checkpoint Charlie ist vorerst beendet. Gestern Morgen wurde das private Mauermahnmal Kreuz für Kreuz unter Polizeischutz abtransportiert
VON JOHANNES GERNERT
Alexandra Hildebrandt hat die Räumung noch um einige Minuten hinausgezögert. Am Ende musste die Direktorin des Mauermuseums aber doch zusehen, wie die Holzkreuze ihres Mahnmals gestern Morgen abtransportiert wurden. Nicht um 6.01 Uhr, wie geplant, sondern erst eine gute halbe Stunde später gab der Obergerichtsvollzieher Christian Günther das Startzeichen.
Die Mitarbeiter einer Logistik-Firma begannen damit, die Verankerungen aus dem Boden zu schrauben. Um 7.15 Uhr wurden die ersten beiden Kreuze dann auf einen Laster gepackt. Hildebrandt hatte vorher ein letztes Mal versucht, mit den Zwangsverwaltern von der Bankaktiengesellschaft Hamm (BAG) zu verhandeln. Vergeblich.
Schon am Vorabend hatte sie die Zusicherung einer Schweizer Bank präsentiert, die ihre „Arbeitsgemeinschaft 13. August“ angeblich beim Kauf des Grundstücks unterstützen wolle. Die Vertreter der BAG gingen nicht mehr darauf ein. Gestern Nachmittag war die Fläche auf der einen Seite der Friedrichstraße schon wieder vollkommen von den Kreuzen befreit, selbst das Kiesbett hatten Bagger weggeschaufelt. Und auch das Mauerstück, das dort gestanden hatte, war von einem Kran weggehoben worden. Auf der gegenüberliegenden Seite wurden die letzten Kreuze verladen – nur wenige Schaulustige sahen zu. Der Pressepulk war weitergezogen und auch die Demonstranten.
Noch in den frühen Morgenstunden hatten Opferverbände, US-amerikanische Republikaner und die CDU gegen die Räumung der Kreuze protestiert. Ehemalige SED-Häftlinge ketteten sich an die Kreuze und bezeichneten die Entfernung des Mahnmals auf Plakaten als zweiten Mord an den Mauertoten. Vertreter der CDU legten einen Gedenkkranz nieder. Zwischenzeitlich warfen einige Demonstranten der Polizei vor, sie malträtiere SED-Opfer, weil die Beamten das Gelände abriegelten und versuchten, die Fläche für die Räumung frei zu machen. Die Stimmung blieb aber friedlich. Man witzelte über die „Mauerspechte“, die mit Meißeln Löcher in den Beton schlugen, um die Stücke für den Abtransport zu präparieren. Schließlich beendeten auch die angeketteten ehemaligen Häftlinge ihren Protest.
Die spannende Frage war schließlich vor allem, was nun mit den Kreuzen und den nachgebauten Mauerstücken passiert. Gestern noch hatte der Gerichtsvollzieher erklärt, sie würden eingelagert. Sogar eine öffentliche Versteigerung schien möglich. Die Erlöse wären der BAG zugute gekommen. Außerdem bot Martin-Michael Passauer, der Generalsuperintendent der evangelischen Kirche in Berlin, den Kreuzen Kirchenasyl an. Man müsse die Würde des Symbols wahren, sagte er.
Nach der Räumung allerdings verkündete Alexandra Hildebrandt, dass die Kreuze in einem Archiv des Mauermuseums aufbewahrt werden sollen. Nur die Mauerstücke behalte die BAG vorerst, bestätigte auch Katrin-Elena Schönberg, die Sprecherin des Kammergerichts. Dazu hat die Bankaktiengesellschaft als Gläubigerin das Recht. Bei der BAG äußert man sich nicht dazu, warum nicht auch die Kreuze eingelagert werden.
Alexandra Hildebrandt will trotz der Räumung weiterhin für das Mauermahnmal sammeln und der BAG die Grundstücke abkaufen. Dann könnten die Kreuze ihrer Ansicht nach wieder dahin gestellt werden, wo man sie gerade aufwändig entfernt hat. Wie viel Geld sie schon zusammen hat, wie lange es also bis zur Rückkehr der Kreuze dauern könnte, sagt sie nicht.
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