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Archiv-Artikel

Geht’s noch, Ehrlicher?

Der Schauspieler Peter Sodann tritt für die PDS als sächsischer Spitzenkandidat an. Darf ein Politiker als „Tatort“-Kommissar ermitteln? Für den MDR ist diese Frage Neuland. Der BR ist da schon weiter

VON DAVID DENK

Gunther Witte ist mittlerweile pensioniert. Deswegen bleibt dem „Tatort“-Erfinder zu Hause in Köln auch nichts anderes übrig, als laut nachzudenken über die Zukunft des Schauspielers Peter Sodann als MDR-Ermittler Hauptkommissar Bruno Ehrlicher. Hat er überhaupt eine? „Sodann ist einfach ein wunderbarer Kommissar, Ehrlicher eine herrliche Figur. Es wäre ein Jammer, wenn er wegen seines politischen Engagements vom Bildschirm genommen würde.“

Vorbild Bayern

Derlei Spekulationen blühen, seitdem Sodann, bis vor kurzem Intendant am neuen theater in Halle an der Saale, gestern seinen Wechsel auf die politische Bühne angekündigt hat – als PDS-Spitzenkandidat in Sachsen. Eines immerhin ist schon mal sicher: Sollten die vorgezogenen Bundestagswahlen am 18. September stattfinden, wird Ehrlicher nach dem 7. August bis zum Wahltag nicht mehr ermitteln – weder in einem aktuellen Mordfall noch in einer Wiederholung. Deswegen sollten Ehrlicher-Fans heute Abend auf jeden Fall den Videorekorder programmieren, um auch keinen der beinahe zeitgleich wiederholten Fälle zu verpassen („Abseits“ um 22.05 Uhr im MDR und „Money! Money!“ um 22.15 Uhr im RBB).

In vielen öffentlich-rechtlichen Funkhäusern existieren Dienstanweisungen wie jene Dienstanweisung 1/98 des Bayerischen Rundfunks, wonach Mitarbeiter „innerhalb der letzten sechs Wochen vor dem Wahltag bis zur Schließung der Wahllokale im Programm des Bayerischen Rundfunks nicht selbst auf dem Bildschirm erscheinen oder am Mikrofon auftreten“ dürfen.

Daran will sich der MDR laut Sprecherin Birthe Gogarten bei der erstmaligen Formulierung einer solchen Dienstanweisung orientieren. „Wir hatten so einen Fall ja noch nicht“ – der BR schon. Der Fall Sodann weckt Erinnerungen an den Fall Koch. Der BR-Sportreporter Günther Koch wollte 2003 in den bayerischen Landtag. Seine Kandidatur in Mittelfranken hatte allerdings zwei klitzekleine Schönheitsfehler: Erstens trat Koch für die SPD an, und zweitens wurde er auch noch gewählt, und zwar mit dem besten Ergebnis aller mittelfränkischen SPD-Kandidaten.

„Ich leide noch immer“

Sein Mandat trat Koch dann allerdings doch nicht an, da, so BR-Intendant Thomas Gruber nach der Wahl, eine „neue Dienstanweisung des Senders“ die Verquickung von Mandat und Mikrofon verbiete. Koch wurde also vor die Wahl gestellt: Fußball oder Politik? Koch hat sich für den Fußball entschieden. Gestern wollte er nur wenig sagen, als ihn die taz auf Peter Sodann ansprach: „Ich habe das alles durchlitten und in gewisser Hinsicht durchleide ich es heute noch täglich. Für mich ist das nicht neu.“ Ende der Durchsage. Alles andere solle der Leser sich denken. Nach fünf Minuten ruft er noch mal an und schiebt nach: „Von Kollege zu Kollege wünsche ich Herrn Sodann mehr Erfolg als ich ihn hatte, und das von ganzem Herzen.“

„Tatort“-Erfinder Gunther Witte wünscht sich Neutralität bei der Entscheidung über Peter Sodanns Fernsehzukunft: „Was wäre passiert, wenn er für die SPD oder CDU kandidiert hätte?“ Sein größter Wunsch allerdings, Sodann weiterhin als Ehrlicher ermitteln zu sehen, droht nicht erhört zu werden, denn in der BR-Dienstanweisung, Vorlage für den Ehrlicher-Produzenten MDR, heißt es: „Ab dem Beginn ihrer Mitgliedschaft in einem Parlament … ruhen für alle festangestellten Mitarbeiter/innen die Rechte und Pflichten aus ihrem Beschäftigungsverhältnis mit dem BR für die Dauer der Mitgliedschaft in dem jeweiligen Parlament.“ Ob dies auch für Schauspieler gilt?