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Archiv-Artikel

ORTSTERMIN: DRITTKLÄSSLER MACHEN VORSCHLÄGE FÜR DIE UMGESTALTUNG IHRES SPIELPLATZES Weg mit dem Kies

Bayrams Handballen ist rot, die Haut abgeschürft. Flüchtig wischt er sich den Dreck von seinen Knien, streicht über die kurze Hose und steht auf. Wütend schimpft er auf den Kies, der vereinzelt unter dem Schaukelkarussell auf den dunkelroten Gummimatten liegt. „Da tut man sich weh, der muss weg“, sagt der Drittklässler und geht über den Spielplatz.

Doch anstatt weiterzuspielen, setzt er sich an einen Tisch, schnappt sich einen Notizblock und schreibt seine Beschwerde auf: „Ich wünsche mir, dass da beim Drehteil auf dem Boden kein Kies ist.“ Er unterstreicht es und schaut zufrieden zu Tina Lübke und Ivonne Kroll.

Die beiden Sozialarbeiterinnen sitzen ihm gegenüber auf einer Holzbank. Vor ihnen auf dem Tisch liegen etliche Notizzettel, auf denen Beschwerden und Wünsche für den Spielplatz in der Göttinger Weststadt notiert sind. Schließlich soll der Platz erneuert werden, und „da ist die Meinung der Kinder sehr wichtig, da sie den Spielplatz mit ganz anderen Augen als Erwachsene sehen“, sagt Lübke. „Die Kinder wissen ganz genau, was sie wollen“, fügt Kroll hinzu. Um sie herum rennen sechs Drittklässler und begutachten das Gelände.

Der Platz an der Pfalz-Groner-Breite soll grundsaniert werden, die Stadtverwaltung plant die Errichtung eines sogenannten Quartiersplatz. Neben dem bestehenden Spiel- und Bolzplatz soll das Gelände verändert und somit für alle Anwohner attraktiver werden – auch für die Erwachsenen. Um den Platz dabei möglichst genau nach den Wünschen und Bedürfnissen der Nutzer zu entwickeln, beziehen die Stadtplaner die Bewohner des Viertels mit ein. Mitte Juli werden Kinder, Jugendliche und Erwachsene dem Göttinger Oberbürgermeister Wolfgang Meyer (SPD) und weiteren Verantwortlichen der Stadt ihre Pläne vorstellen.

Die sechs Drittklässler sind hierbei die erste Gruppe, die auf Erkundungstour geht. Sie kommen alle aus der Nachbarschaft, wohnen nur wenige Straßen vom Spielplatz entfernt. Der Stadtteil wird hier dominiert von endlosen Reihen von Wohnungsblöcken aus den fünfziger und sechziger Jahren.

Die meisten Geschäfte in der angrenzenden Pfalz-Grona-Breite, einer der Hauptstraßen des Quartiers, stehen seit langem leer. Dafür haben sich soziale Projekte wie das Weststadtbüro und Arbeit im Quartier, ein Projekt zur Förderung langzeitarbeitsloser Bewohner der Weststadt, in den Ladenzeilen angesiedelt. Der Stadtteil soll sich verändern, die Lebensqualität gesteigert werden. Die Sanierung des Spielplatzes ist hierbei nur eines von vielen Vorhaben. Fünf Millionen Euro werden im Rahmen des Bund-Länder-Programms „Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf“ in die Göttinger Weststadt investiert.

Die Drittklässler haben auch schon genaue Vorstellungen für die Erneuerung. Wenige Tage nach der Tour durch die Weststadt stehen sie im Werkraum der Egelsbergschule, vor sich ein großes Pappmodell des Spielplatzes. Aus Papier, Alufolie und Korken haben die Schüler Basketballkörbe, Rutschen, Klettergerüste und Toiletten gebastelt.

Bislang können sich nur Plastikfiguren in diesem Modell bewegen, aber die Vorstellungen der Kinder sind konkreter geworden. „Natürlich können wir den Kindern nicht versprechen, ob es am Ende umgesetzt wird“, sagt Ivonne Kroll. „Aber die Kinder fühlen sich ernst genommen.“ Und auch an die Erwachsenen haben die Schüler gedacht – für sie haben sie Liegestühle gebastelt.  CHRISTOPHER PILTZ