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Archiv-Artikel

Kotti & Co

Die MieterInnen am Kottbusser Tor fordern: „Miete runter!“ Seit einem Monat protestieren sie auf dem Platz vor ihren Wohnungen gegen steigende Mieten und Verdrängung – jeden Tag, 24 Stunden lang

Kotti & Co

■  Protestcamp

Seit einem Monat gibt es am Kottbusser Tor (Ecke Admiralstraße) ein kleines Protestcamp mit Programm. Heute Abend, 20 Uhr, eine Lesung mit Mutlu Ergün.

■  Lärmdemo

Die 4. Lärmdemo startet am Samstag, 30. Juni um 16 Uhr am Kottbusser Tor. Demoausrüstung: Kochtöpfe und Trommeln.

■  Im Netz:

www.kottiundco.wordpress.com

Gemütlich ist es schon, das Protestcamp von Kotti & Co am Kottbusser Tor in Kreuzberg. An Tischen diskutieren NachbarInnen lachend miteinander, Kuchen steht auf dem Tisch, in dem aus Holzpaletten zusammengezimmerten Pavillon dampft der Teekessel. Im Innern des Pavillons zwischen Zeitungsausschnitten und Flugblättern sitzen Matthias und Mehmet. Beide geben sich kämpferisch: „Wir werden erst dann unsere Zelte abbauen, wenn unsere Forderungen erfüllt sind“, sagt Matthias.

Die Forderungen von Kotti & Co sind klar definiert: Miete runter auf 4 Euro den Quadratmeter und die Wiedereinführung der Mietobergrenzen im sozialen Wohnungsbau sowie eine Konferenz zum Thema sozialer Wohnungsbau in Berlin bis zum Ende des Jahres, an der auch MieterInnen teilnehmen dürfen. Seit über 14 Monaten protestiert die Initiative jetzt schon gegen die steigenden Mieten in den Neubauten rund um das Kottbusser Tor. Begonnen hat alles mit einer Unterschriftenliste, als die Verwaltungen GSW und Hermes, denen sämtliche Immobilien in der Gegend gehören, mal wieder einmal mehr Miete verlangten. „Das war aber alles noch nicht richtig ernsthaft“, sagt Matthias. Man habe mit der Aktion nur das eigene schlechte Gewissen beruhigen wollen.

Richtig zur Tat schritten die AnwohnerInnen erst wenig später. Gemeinsam mit Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) rief man einen runden Tisch ins Leben, zu dem auch die beiden Hausverwaltungen geladen wurden. Diese blieben den Treffen jedoch fern mit der Begründung, mit Protestlern nicht reden zu wollen. Nach langem Ringen entschied man sich schließlich zum Protestcamp. Ende Mai schlugen die AktivistInnen ihre Zelte südlich des Kotti auf. Unterstützung bekamen sie dabei von unerwarteter Seite: Polizei und Ordnungsamt dulden das kleine Zeltlager noch immer. „Manche Beamten kommen mit einem Lächeln zum Plausch vorbei“, berichtet Mehmet.

Die Berliner Verwaltung ist aber nicht der einzige Freund der Initiative. Auch andere Gruppen wie „Haben & Brauchen“, „Stadt Neudenken“, „Fulda-Weichsel“, „GSW23“ und die Kiez-Initiative „Reichenberger Straße“ stärken den Kotti-AktivistInnen den Rücken. Sie helfen dabei, Nachtwachen zu organisieren, kümmern sich um die Verpflegung und das Programm. Die Bar „Südblock“ hingegen stellt Wasser und Strom, die Kleingeld-Prinzessin und viele andere KünstlerInnen spielten Konzerte, um ihre Solidarität zum Ausdruck zu bringen. PolitikerInnen von den Piraten, den Grünen und der Linkspartei ließen sich ebenfalls in dem Camp blicken.

Schaut man sich neben der langen Liste der UnterstützerInnen die Zusammensetzung von Kotti & Co an, so stellt man fest, dass dort Menschen aus vielen verschiedenen Gesellschaftsschichten vertreten sind. Alte und junge Menschen, Hartz-IV-Empfänger und Lehrer, Radikale und BürgerInnen kämpfen gemeinsam für ihr politisches Anliegen. Damit hat Kotti & Co das erreicht, wovon Occupy, Krisenprotestmärsche und Uni-Blockierer nur träumen können: einen breitgefächerten gesellschaftlichen Protest.

Darüber hinaus hat es die Initiative geschafft, die AnwohnerInnen miteinander in Kontakt zu bringen. Auch Matthias und Mehmet haben während der letzten Wochen zueinander gefunden. „Vorher haben wir uns nicht einmal gegrüßt, obwohl wir uns am Kotti oft über den Weg gelaufen sind.“, berichtet Mehmet.

Bei den vielfältigen Aktionen versucht Kotti & Co darauf zu achten, diesen durchmischten Charakter zu bewahren. So bemüht sich die Initiative darum, dass ihre Demos friedlich verlaufen, um möglichst viele Menschen anzusprechen. In einem Beitrag auf ihrer Website ruft die Gruppe dazu auf, sich nicht von der Polizei provozieren zu lassen. Während einer Demonstration am 9. Juni war die Polizei zum Teil äußerst rabiat gegen einzelne TeilnehmerInnen vorgegangen. Mit Angeboten wie Kinderfesten versucht die Initiative auch politferne Menschen anzusprechen.

Dass sie mit ihrem Camp bereits etwas erreicht haben, davon sind Mehmet und Matthias fest überzeugt. Vorher habe man geglaubt, dass gegen den „monolithische Block aus Regierung und Wirtschaft“ kein Kraut gewachsen sei. „Inzwischen haben wir aber festgestellt, dass der Block Risse bekommen hat. Wir sind jetzt alle viel optimistischer“, sagt Matthias. Schon allein dass die steigenden Mieten und der soziale Wohnungsbau wieder weit oben auf der politischen Agenda vertreten sind, sei ein gutes Zeichen.

Die Aktiven am Kottbusser Tor freuen sich über Menschen, die vorbeikommen, um mitzudiskutieren, Aktionen zu planen oder Nachtwachen zu übernehmen. Auch Kuchenspenden sind willkommen. Wer sich über anstehende Aktionen auf dem Laufenden halten möchte, der besuche die Internetseite der Initiative. „Je mehr wir sind, je weniger kann uns die Politik ignorieren“, sagt Mehmet. LUKAS DUBRO