: In den Sand gesetzt
Die Erde gehört Leuten, die Remakes drehen und dabei riskieren, funktionstüchtiges Material kaputt zu machen: John Moore hat Robert Aldrichs Abenteuerklassiker „Der Flug des Phoenix“ neu verfilmt, mit Dennis Quaid und Giovanni Ribisi in den Hauptrollen. Leider hebt das Ergebnis nicht ab
von PHILIPP BÜHLER
An Robert Aldrichs „Der Flug des Phoenix“ (1965) wird sich jeder erinnern, der seine Kindheit vor dem Fernseher verbrachte. Der Abenteuerklassiker lief ständig, nämlich mindestens Weihnachten und Ostern, und war so gut wie beides zusammen. Im Cockpit: James Stewart als grimmiger Bruchpilot mit schlechtem Gewissen. Seine Passagiere: vierschrötige Kerle wie Ernest Borgnine, der beste Nebendarsteller aller Zeiten, und Hardy Krüger – unser Mann in Hollywood! Die erste Hälfte des Films verbrachte er damit, geheimnisvoll um das Flugzeug herumzuschleichen, das James Stewart wegen eines Sandsturms in die Sahara gesetzt hatte. Dann rückte er mit seinem Plan heraus, das Wrack zu einem Leichtflugzeug umzubauen und so dem sicheren Wüstentod zu entkommen. Alles genau berechnet, kein Problem. Im Übrigen sei er Flugzeugkonstrukteur.
Das folgende Duell war grandios. Hier James Stewart, der die Idee des bornierten Deutschen wie so ziemlich jeder für ein Hirngespinst hielt. Dort Hardy Krüger zwischen technischem Enthusiasmus und der deprimierenden Erkenntnis, es mit lebensuntüchtigen Trotteln zu tun zu haben. Das Deutschenbild oszillierte wunderbar zwischen Antipathie und Respekt. „Komisch, dass ihr nicht den Krieg gewonnen habt bei eurer Tüchtigkeit“, heißt es in einer Szene. Krügers luzide Antwort lautet: „Ich war nicht dabei.“
Neben exzellenten Dialogen hatte der Film eine allumfassende Botschaft: Teamwork. Nachdem man sich doch entschlossen hat, den „Phoenix“ zu bauen, verbünden sich Individuum und Gemeinschaft, Hirn und Hand, das Prinzip Hoffnung und das Prinzip Effizienz zum flugtüchtigen Ganzen. Den Sprit lieferte der internationale Kooperationsgeist der Nachkriegszeit, versetzt mit ein bisschen Kulturpessimismus. „Diesen Kerlen mit ihren Rechenschiebern und Computern wird eines Tages die Erde gehören“, schreibt Stewart in sein Logbuch. Eine Generation tatkräftiger Kriegshelden (Stewart war selbst Kampfflieger) trat ab, um das Feld jungen Technokraten zu überlassen.
Heute, da die schöne Erinnerung langsam verblasst, ist die Vision wahr geworden. Die Erde gehört Leuten, die Remakes drehen und dabei riskieren, funktionstüchtiges Material kaputtzumachen. Sie sehen das naturgemäß umgekehrt. Mit dem neuen „Flug des Phoenix“ will John Moore, bisher nur als Regisseur des Bosnienfilms „Allein gegen alle“ hervorgetreten, den Vogel wieder flottmachen. Dabei gleicht die Handlung dem Original aufs Haar. Unter Stewarts Fliegerkappe steckt nun Dennis Quaid. Vergleiche wären unfair. Auch Giovanni Ribisi in der Krügerrolle ist leicht zu identifizieren. Er ist blond, und er geht allen auf die Nerven. Den Rest der Passagiere, Arbeiter einer Ölstation in der Mongolei, bildet eine ausgeprägt multiethnische Truppe. Sogar eine Frau ist dabei.
Das Remake ist nicht völlig misslungen. Wenn Quaid in seinen Flieger steigt, eine altehrwürdige Aluminiumschönheit namens Fairchild C-119, und dabei lässig zu Johnny Cashs „I’ve Been Everywhere“ swingt, will man fast schon mit abheben. Und auch das gelegentlich Nostalgische des schön fotografierten Films wird man schätzen lernen. Doch ansonsten macht Moore fast sämtliche Fehler, an denen moderne Blockbuster leiden. Der Absturz im Sandsturm gleicht eher Luke Skywalkers Anflug auf den Todesstern als einem Flugzeugcrash – wozu hat man schließlich Computer. Die Figuren bleiben flach, vom einsilbigen Quaid in der Han-Solo-Rolle des widerwilligen Helden über austauschbare Nebenrollen bis zu Ribisis wild improvisierter Performance als geltungssüchtiger Effizienznazi ungeklärter Herkunft. Die Dialoge („Let’s build it!“) wirken, als wären sie allesamt für Ernest Borgnine geschrieben.
Dem Geist internationalen Teamworks, das wird überdeutlich, mangelt es an Motivation und Kreativität. Corporate Identity, heutzutage ohnehin business as usual, lässt sich herstellen. Der Glaube aber, den es braucht, um nach einer Katastrophe an einem vielleicht unsinnigen Zukunftsprojekt zu basteln, lässt sich nur noch behaupten. Das Bild der Wüste war in Aldrichs Original ein Bild angespannter Ruhe, aus der neue Kräfte wachsen können. Insbesondere Moores Soundattacken vermitteln eher den Eindruck, dass wir uns noch mitten im Absturz befinden. Er scheint selbst nicht geglaubt zu haben, dass der Vogel noch mal fliegt.
„Der Flug des Phoenix“, Regie: John Moore. Mit Dennis Quaid, Giovanni Ribisi, Tyrese Gibson u. a., USA 2004,113 Min.