Software-Patent ist gescheitert

Das EU-Parlament hat die Softwarerichtlinie mit großer Mehrheit abgelehnt. Viele Abgeordnete fürchteten, dass sich die kleinen Firmen nicht gegen SAP oder Microsoft durchsetzen könnten. EU-Kommission will keinen neuen Vorschlag unterbreiten

AUS BRÜSSEL DANIELA WEINGÄRTNER

Eine „Beerdigung erster Klasse“ hatte die grüne EU-Abgeordnete Eva Lichtenberger kurz vor der Abstimmung vorausgesagt. Und sie behielt Recht. 648 von 680 Europaabgeordneten lehnten gestern in Straßburg die „Richtlinie über Patentierbarkeit computergestützter Erfindungen“, besser bekannt als „Softwarepatent“, ab. Die EU-Kommission müsste nun einen völlig neuen Vorschlag vorlegen – doch das lehnte Kommissar Almunia in einer ersten Stellungnahme ab.

Die absolute Mehrheit kam mühelos zustande, weil sich viele Abgeordnete durch die unterschiedlichen Stellungnahmen verunsichert fühlten: Offiziell waren sich die EU und die gesamte Computerbranche zwar einig, dass das neue Rahmengesetz nur für computergestützte Anwendungen gilt. Reine Software soll nicht patentierbar werden. Für sie gelte auch weiterhin das Urheberrecht. Doch wo verläuft die Grenze zwischen Software und computergestützten Anwendungen?

Während die Weltkonzerne kein Problem erkennen konnten, fürchteten vor allem kleine Firmen und Softwareentwickler, dass die neue Richtlinie zum Arbeitsbeschaffungsprogramm für Patentanwälte wird. Jeder Entwickler laufe demnächst Gefahr, versehentlich patentgeschützte Elemente in sein Produkt einzubauen. Große Firmen wie SAP oder Microsoft könnten einen langen Rechtsstreit finanziell durchstehen. Ihre kleineren Konkurrenten aber wären bankrott, bevor das Gericht sein Urteil gesprochen hätte. Die kleinen Firmen sehen keinen Reformbedarf: Sie fühlen sich durch das bestehende Urheberrecht ausreichend und vor allem preiswert geschützt. Der konservative Abgeordnete Othmar Karas brachte es bei der Debatte am Dienstag auf den Punkt: Die neue Richtlinie schaffe „keine Rechtssicherheit, fördert die Innovation nicht und macht den Kleinen Angst.“

Aber es gab auch noch andere Gründe, um mit Nein zu stimmen. Viele konservative Abgeordnete fürchteten, dass die Richtlinie durch Änderungsanträge des Parlaments verwässert werden könnte. Sie sind überzeugt, dass computergestützte Anwendungen patentiert werden müssen. Da sich dies nicht durchsetzen lässt, ist ihnen dann der derzeitige Entscheidungsspielraum des Europäischen Patentamts lieber, der sich in der Grauzone zwischen Europäischem Patentabkommen und nationalen Patentgesetzen auftut. Diese Abgeordneten glauben, dass nur ein ausgedehntes Patentrecht Firmen dazu bringen kann, vom Standort Europa aus teure computergestützte Entwicklungen voranzutreiben. Denn die USA haben ein sehr weit gehendes Patentrecht und können so ihre Erfindungen schützen und gleichzeitig anderswo auf Ideenklau gehen.

Der sozialistische Berichterstatter Michel Rocard machte die Arroganz von Rat und Kommission dafür verantwortlich, dass die erforderliche Mehrheit nicht zustande kam. Statt gemeinsam mit dem Parlament ein Gesetz zu erarbeiten, das die Sorgen der kleinen und mittleren Unternehmen berücksichtige, hätten sie jeden Dialog abgelehnt. „Es wird ihnen einen Lehre sein“, sagte Rocard unter dem Beifall seiner Kollegen. Statt sich mit einem neuen Entwurf wieder in der Grauzone zwischen Software und Technik festzubeißen, solle sich die Kommission überlegen, wie die gesamte Arbeit des Europäischen Patentamts künftig kontrolliert und das europäische Patentrecht endlich harmonisiert werden könnte. Dieser Forderung schlossen sich viele Abgeordnete an. Denn das Münchner Amt hat in der Vergangenheit eine Reihe umstrittener Patente erteilt – so auf menschliche Gene, pflanzliche Wirkstoffe und auch auf Computersoftware.