Bernd Müllender Eingelocht: Loses Getier auf dem Golfplatz? Kann weg!
Golf, dieses beglückende Spiel in freier Natur – und dann sticht irgend ein Insekt zu. Schmerzhaft ist die heile Welt passé. Dann wünscht man sich für einen Moment in den golfarmen Dauerwinter.
Zum Draußensein gehören außer homo schwingensis eben auch Wesen wie Wespe, Mücke, Bremse. Schon das Surren einer Fliege kann reichen – dann ist die Konzentration bei einem Schlag schlagartig dahin. Oder Regenwürmer. Sie können sich auf dem Grün kringeln und den sanft rollenden Ball entscheidend ablenken. Da ist die Golfgesetzgebung großzügig: Wer da herumkrabbelt, auch Käfer oder Spinnen, ist wie auch Blätter oder Zweige als „loser beweglicher Naturstoff“ definiert. Das darf weg. Also wegfingern erlaubt. Wenn ein Wurm aber nur neckisch sein Köpfchen aus dem Rasen herausstreckt, darf man nicht dran ziehen.
In den Golfregularien kommen viele Tiere vor. Der Ball hopst aufs Grün, wird dort von Hund oder Hase abgelenkt und fällt ins Loch. Zählt? Zählt! Das gilt als Spielzufall. Und wenn ein Hund den heranrollenden Ball schnappt, ihn klug ins Loch apportiert? Zählt nicht. Waldi könnte dressiert worden sein. Interessant sind Kuhfladen. Naturstoff ja, aber eben nicht lose. Also entweder Ball herausfingern (Strafschlag!) oder sich sportlich ehrgeizig einsauen. Was ist, wenn der Ball hinter einem Maulwurfshügel liegt oder in einer Vertiefung auf einem Mäuseloch? Das Regelwerk spricht von „Erdgänge grabenden Tieren“. Dann darf man den Ball daneben in Kniehöhe fallen lassen und von dort weiterspielen, ohne Strafschlag. Und im frisch zerwühlten Terrain, wo ein Wildschwein kürzlich seinen Spaß hatte? Weiterspielen wie der Ball eingematscht liegt – oder Strafschlag. Golfer, so stolz auf ihr Spiel in der Natur, müssen eine Feldmausbehausung schon vom Gewühle des Schweins unterscheiden können.
Gilt „Spielen wie er liegt“ auch, wenn sich eine Schwarze Mamba an den Ball kuschelt? Nein, das doch nicht. Denn Sicherheit geht vor, also kein Strafschlag fürs Überleben. Und Obacht: In tropischen Gebieten ist nicht jedes gebogene Stück Holz auf dem Fairway wirklich eines. Neuseeländische Seelöwen, eine subpolare Ohrenrobbe, sind vom Aussterben bedroht. Im Südinsel-Ort Dunedin hatten sich nun eine Mutter und ihr Baby auf einem Golfplatz niedergelassen, sie querten regelmäßig eine Straße auf dem Weg zum Strand. Die Straße wurde gesperrt, „um die sichere Nutzung zu ermöglichen“. Manchmal ist Golf auch arterhaltend.
Und was ist, wenn eine Krähe den Ball vom Fairway schnappt und damit davonfliegt? Man darf mit einem neuen Ball weiterspielen, auch ohne Strafschlag. Aber nur, wenn es sichere Belege gibt für den Diebstahl, etwa Zeugen. Wer versehentlich eine vorbeifliegende Ente oder Taube volley vom Himmel holt, ist ein fahrlässiger Tiermörder. Tierschutzstrafschlag oder auch das Ökofoul für wegrasierte Äste nach einem Schlag kennen die Regeln aber nicht.
Aus Golfers Abc der Vorurteile, heute W wie Wording: „Ein Sport, der wie ein Auto heißt, das ist doch nur blöde.“ Wahr ist: Golf ist ein mehrdeutiger Name. Beim Golf landet man auch in den Emiraten, beim Golfkrieg, dem Golfstrom. Oder bei einem dieser Klimavernichtungskonzerne.
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