: Weg mit Glas und Frechem
STADTBILD Nach dem Baubeginn fürs Schloss haben die Nostalgiker wieder Aufwind
Eigentlich sollen Denkmalschützer Denkmale schützen. Am Dienstag stürzte sich Berlins Denkmalrat, ein einflussreiches Gremium, auf eine Neubaudebatte. Die Hauptstadtrepräsentanz von ThyssenKrupp müsse verhindert werden. Stein des Anstoßes ist aber nicht das gläserne Ufo, das die Stahlbarone Berlin „schenken“ wollen, sondern der anvisierte Landeplatz vor dem denkmalgeschützten Staatsratsgebäude. Der führe, so der Denkmalrat in einem Brandbrief, zur „massiven Schädigung der Umgebung des Baudenkmals“.
Berlins Stadtbilddebatte ist damit um eine Volte reicher. Dass der Straßenraum und Parkplatz vor dem Repräsentationsbau der DDR bebaut werden sollen, geht auf den ehemaligen Senatsbaudirektor Hans Stimmann zurück. So sehr sehnte sich der alte, weißhaarige Mann nach dem 19. Jahrhundert, dass er dessen Stadtgrundriss zum Maßstab künftigen Bauens machte. Stimmann gehört deshalb zu den Befürwortern des Glaswürfels, obwohl er natürlich eine historisierende Architektur bevorzugt hätte. Doch die Wiedergewinnung des Stadtraums ist ihm wichtiger als die Fassade.
Intellektuelle Frechheit
Ganz anders dagegen Gerhard Hoya. Als Stimmanns Nachfolgerin Regula Lüscher vergangene Woche die Entwürfe für ein Geschäfts- und Bürohaus am Schinkelplatz vorstellte, ätzte der Chef der Gesellschaft Historisches Berlin: „Ich habe keine anspruchsvolle Architektur erwartet. Aber auch nicht, dass es so schlimm wird. Das ist eine intellektuelle Frechheit.“ Im Gegensatz zu Stimmann geht es Hoya nicht um Stadt, sondern um das Stadtbild und damit um die Fassade. Zugegeben: Die Lochfassade, die der Siegerentwurf vorsieht, hätte auch aus dem Legobaukasten kommen können. Lüscher freilich zeigte sich „äußerst zufrieden“.
Nun war mit dem Aufschrei gegen die Lochfassade am Schlossplatz zu rechnen. Dass aber der Denkmalrat keine Ufos mehr landen lassen will, gibt zu denken. Schließlich gelten die Denkmalschützer, wenn es ums Neubaubauen geht, eher zur Mut- als zur Angstfraktion – wenn es denn am rechten Ort geschieht. ThyssenKrupp-Vorstand Ralph Labonte jedenfalls ist so beeindruckt vom Protest, dass er bereits andeutete, nicht „gegen den Willen Berlins“ bauen zu wollen.
Bleibt das Ufo in der Luft, wäre vor allem Lüscher in der Bredouille. Oberwasser hätten dann die, die ihr kleines, kuschliges Berlin nicht vor dem Staatsratsgebäude, sondern zwischen Rotem Rathaus und rund um die Marienkirche hinkleckern wollen. Das aber wäre der eigentliche Sündenfall. Lochfassade und Glaswürfel sind nur Vorgeplänkel. UWE RADA