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Archiv-Artikel

Ein schmutziges Geschäft

Deutschland (10) – die wöchentliche Kolumne aus der Republik von Henning Kober. Heute: Von Gut bis Böse

Es regnet ohne Richtung, Flughafen Edinburgh. Auf dem Rollfeld steht ein Supermodel im Wind. Claudia Schiffer lächelt, küsst Campino, dann Barbara Becker, Senait Mehari, Anna Thalbach und ein paar andere Passagiere, die mit einer Sondermaschine zum Finale des „Long Walk to Justice“ nach Schottland gereist sind. Was die größte Völkerwanderung der Moderne werden sollte, endet hier als Pressereise. In den „Tagesthemen“ am Abend sieht man Campino aus dem Privatflugzeug des österreichischen Milliardärs und „Red Bull“-Erfinders Dietrich Mateschitz steigen, am Arm einer blonden Stewardess die Gangway herunter. Später wird er sich Sorgen machen, dass er dabei ausgesehen haben könnte wie ein Idiot.

Claudia Schiffer sagt: „Die Arbeitsbedingungen sind mir scheißegal. Wir sind hier für eine gute Sache.“ Jeden Tag 30.000 Kinder, die sterben, in Afrika. Alle drei Sekunden eins, schnipp und tot. Daran kommt man in diesen Tagen nicht vorbei. Prominente vom Format eines Gottschalk oder Schuhmacher offenbar schon, und so müssen auch Dr. Motte, Elton und Henning Wehland (das ist der sehr nette Frontmann der Band H-Blockx) den Ruf Deutschlands retten. Im Stadion von Murrayfield beginnt das Abschlusskonzert vor 50.000 Köpfen. Die Musik ist fein, The Thrills, Travis, James Brown und Robbie Williams bestes Stück Guy Chambers am Klavier. Susan Sarandon ist auf der Bühne und auch George Clooney, sehr betrunken. Nelson Mandela verspricht wieder die „Generation Great“. Claudia und Grönemeyer sagen: „Dear Gerhard, wir ermutigen dich.“ Als es dunkel ist, fordert Bob Geldof ein Ende mit „der Pornografie der Armut“. Bono schreit: „Morgen wird Geschichte gemacht.“ So richtig und ehrenhaft das Anliegen, so gespenstisch ist die Ästhetik.

Am nächsten Morgen, zurück in Deutschland. Ihr fiesen Schweine habt es wieder getan. Und wir müssen jetzt Otto Schily ertragen, der auf allen Kanälen erzählt, dass er „mehrfach“ mit dem britischen Innenminister telefoniert hat. Wahr ist leider auch: Freunde in London, denen Blut ins Gesicht spritzt, berühren mich heute mehr als die 30.000 toten Kinder von Afrika. Ein Gefühl, das weh tut. Auch, weil es dafür Rache geben wird. Nur eine Frage der Zeit, bis Bomben auf Teheran fallen.