: Ehe zweiter Klasse
GLEICHSTELLUNG Gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften werden in Deutschland rechtlich immer noch benachteiligt
VON TILMAN VON ROHDEN
Im Schneckentempo zur Gleichberechtigung? Ab und zu rafft sich die Politik zu größeren Veränderungen auf, um Lesben und Schwule, die in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften leben, ein Stück mehr gleichzustellen, doch insgesamt gesehen erscheint der politische und rechtliche Prozess recht mühsam. Das liegt nach Meinung des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland (LSVD) nicht unbedingt an einer Öffentlichkeit, die die politischen Parteien mit ihren Wählerstimmen ständig unter Druck setze. „Die Bürger sind bei der rechtlichen Gleichstellung von Lesben, Schwulen und den gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften viel offener und liberaler eingestellt als die Parteien. Diese nutzen ihre politischen Spielräume leider nicht“, sagt die Sprecherin des LSVD, Renate Rampf.
Das gilt in eingeschränktem Maße auch für die frühere Regierungskoalition aus SPD und Grünen, allerdings vor allem, weil sie vom CDU/FDP-dominierten Bundesrat ausgebremst wurde. Rot-Grün hatte im Jahr 2001 das Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft in Kraft gesetzt. Für das Jahr 2005 wurde es erheblich überarbeitet. Danach entsprechen Lebenspartnerschaften in vielen Punkten den Rechtsfolgen der Ehe in bürgerlich-rechtlichen Angelegenheiten. Stirbt beispielsweise ein Lebenspartner, hat der andere einen Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente. Auch beim Eltern- und Wohngeld oder in der Sozialversicherung führte das Gesetz die Gleichstellung herbei. Nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz ist es bereits seit 2001 möglich, dass die Partner das gemeinsame Sorgerecht für ein leibliches Kind vereinbaren. Der Ehe gleichgestellt sind die Lebenspartner auch in der gesetzlichen Krankenversicherung und in deren Familienversicherung. Trennen sich die Lebenspartner, gilt bei der Aufteilung des Vermögens wie in der Ehe in der Regel die für den wirtschaftlich Schwächeren vorteilhafte Zugewinngemeinschaft.
Ob das Lebenspartnerschaftsgesetz deshalb schon als großer Wurf bezeichnet werden kann, ist dennoch fraglich. Denn in vielen Bereichen gibt es immer noch keine vollständige Angleichung der Rechte. Im Steuerrecht greift die Benachteiligung weiter tief ins Portemonnaie. Denn das Ehegattensplitting gilt für Lebenspartnerschaften nicht. Die Partner versteuern ihre Einkommen getrennt. Dies kann sich dann finanziell negativ auswirken, wenn die Partner unterschiedlich verdienen. Das kommt insbesondere dann häufig vor, wenn zu betreuende Kinder vorhanden sind. Insofern richtet sich diese Benachteiligung nicht nur gegen die Lebenspartner, sondern auch gegen deren Kinder.
Auch im Adoptionsrecht würden Lebenspartner immer noch „eklatant benachteiligt“, so der LSVD. Denn Lebenspartner können Kinder gemeinschaftlich nicht adoptieren. In der Homoehe gibt seit 2005 einzig das Recht auf die sogenannte Stiefkindadoption. Mit ihr ist es einem gleichgeschlechtlichen Lebenspartner möglich, das leibliche Kind des Partners oder der Partnerin zu adoptieren. Wie kleinlich diese Regelung ist, zeigt sich daran, dass Jugendämter erziehungspflichtige Kinder zwar in Lebenspartnerschaften vermitteln, die Adoption aber ausgeschlossen bleibt. Erst vor wenigen Wochen hat die bayerische Landesregierung eine Verfassungsklage gegen das jetzige Adoptionsrecht zurückgezogen. Weitere Fortschritte sind in der Koalitionsregierung mit der CSU kaum zu erwarten, denn Volladoptionen werde es mit ihm nicht geben, stellte CSU-Justizminister Merk klar. Auch das Sozialministerium des Landes will kein Volladoptionsrecht.
Genau dies streben aber FDP und Grüne auf Bundesebene für die kommende Legislaturperiode an. „Die Zeit ist reif für die volle rechtliche Gleichstellung mit der Ehe“, so Irmingard Schewe-Gerigk, Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag. Die Beamten sind mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz ebenfalls unzufrieden. Denn anders als Angestellte im öffentlichen Dienst bekommen sie keine Hinterbliebenenrente. Dies gilt für Bundesbeamte. Viele Länder haben die erweiterten beamtenrechtlichen Möglichkeiten der jüngeren Zeit genutzt, um diese Gruppe gleichzustellen. Zu diesen Ländern zählen unter anderem Berlin und Brandenburg. Bundesbeamte ohne Kinder und viele Landesbeamte müssen auch auf den Familienzuschlag verzichten. Schlechtergestellt sind sie auch bei der staatlichen Beihilfe im Krankheitsfall. Neben diesen zentralen Benachteiligungen gibt es weitere im Erbschaftsfall oder auch für aus dem Ausland stammende Lebenspartner, wenn sie studieren und Bafög beziehen wollen.
„Wir haben uns in einem langjährigen Prozess an die teilweise Gleichstellung in vielen kleinen Schritten herangerobbt. So wird es wahrscheinlich weitergehen“, kommentiert Schewe-Gerigk. Die SPD sei zwar in der rot-grünen Koalition ein „schwieriger Partner“ gewesen, habe aber dazugelernt. „Jetzt trägt sie innerhalb der großen Koalition das Thema, leider mehr schlecht als recht.“
Die Politik der kleinen Schritte hält auch der Berliner LSVD-Landesverband für das realistischste Szenario für die kommende Legislaturperiode. Es sei denn, die CDU sei überraschenderweise nicht in der Regierung. Dabei schwebt dem LSVD ganz anderes vor: „Wir wollen grundsätzlich keine Ehe zweiter Klasse“, sagt Berlins LSVD-Sprecher Alexander Zinn. Der Verband hofft auf die vollständige Öffnung des Rechtsinstituts der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften. „Deren gesonderte rechtliche Behandlung wäre dann endlich überflüssig, das Lebenspartnerschaftsgesetz obsolet.“ Länder wie die Niederlande oder Schweden haben es vorgemacht.