: Behördenchef zieht Konsequenzen
VERFASSUNGSSCHUTZ Heinz Fromm gibt nach der Kritik am Schreddern von NSU-Akten sein Amt auf
■ In der Bundesrepublik hat eine ganze Reihe von Geheimdiensten deutsche und ausländische Organisationen und BürgerInnen im Visier. Sie werden unter anderem nach dem „Bundesverfassungsschutzgesetz“ und dem „Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes“ geregelt.
■ Einer dieser Dienste ist der 1950 gegründete Verfassungschutz des Bundes mit rund 2640 MitarbeiterInnen (im Jahr 2010). Seine Zentrale liegt in Köln-Chorweiler. Jedes Bundesland hat eigene Verfassungschutzbehörden.
■ Als Arbeitsfelder nennt das Bundesamt auf seiner Webseite (www.verfassungsschutz.de) „Rechtsextremismus“, „Linksextremismus“, „Ausländerextremismus“, „Islamismus und islamistischer Terrorismus“, „Spionageabwehr“, „Proliferationsabwehr“ (illegale Verbreitung von Kriegsgütern), „Geheim- und Sabotageschutz“, “Elektronische Angriffe“, Wirtschaftsspionage und Aktivitäten der „Scientology-Organisation“. (taz)
VON SEBASTIAN ERB
BERLIN taz | Es ist die erste personelle Konsequenz aus dem Behördenversagen beim rechten Terror: Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, gibt sein Amt auf. Er wird auf eigenen Wunsch von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) zum 31. Juli in den vorgezogenen Ruhestand versetzt. Fromm stand 12 Jahre an der Spitze des Inlandsgeheimdienstes.
„Ich respektiere die persönliche Entscheidung von Herrn Präsident Fromm“, erklärte Friedrich am Montag in Berlin und betonte: Fromms persönliche Integrität stehe außer Zweifel. Der Bundesverfassungsschutz habe in seiner Amtszeit auch „erhebliche Erfolge für die Sicherheit in diesem Land“ erreicht. Seitdem vergangene Woche bekannt wurde, dass der Verfassungsschutz kurz nach Auffliegen des Terrortrios NSU im November 2011 wichtige Akten vernichtete, geriet der 63-jährige Fromm in heftige Kritik. Jetzt zog er die Konsequenzen.
Der bisherige Vizepräsident Alexander Eisvogel wird das Amt zunächst kommissarisch leiten, wie die taz aus Sicherheitskreisen erfuhr. Ob der 46-Jährige den Posten längerfristig übernimmt, ist unklar. Es könne auch sein, dass die Regierung einen personellen Neuanfang an der Spitzes des Bundesverfassungsschutzes anstrebt, heißt es.
Die Entscheidung Fromms erntete Respekt, zugleich machten Vertreter der Opposition, aber auch Koalitionspolitiker deutlich: Mit dem Rücktritt allein sei es nicht getan. Die Behörde müsse nicht nur die Schredderaktion aufklären, sondern grundsätzlich die Frage klären: Wie konnte es passieren, dass die NSU-Mitglieder jahrelang unerkannt durch Deutschland zogen, um Migranten zu ermorden?
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, lobte Fromm als „zuverlässigen Mahner und Kämpfer gegen den Rechtsextremismus“. Auch beim Kampf gegen den islamistischen Terror habe er sich große Verdienste erworben. Die Entscheidung, in den Ruhestand zu gehen, reiche aber nicht aus: „Das System Verfassungsschutz gehört grundsätzlich auf den Prüfstand.“ In dieselbe Richtung sprach sich auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, aus: „Der Skandal ist mit einem Bauernopfer nicht zu erledigen“, sagte er.
Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) bemängelte, dass noch nicht klar sei, wie die Strukturen der Sicherheitsbehörden so überarbeitet werden, „dass die jetzt schon zutage getretenen gravierenden Fehler in Zukunft vermieden werden können“. „Die Fragen und Probleme bleiben“, sagte Petra Pau, Obfrau der Linksfraktion im NSU-Untersuchungsausschuss. Clemens Binninger, Obmann der CDU im Untersuchungsausschuss, sagte der taz: „Die Untersuchungsarbeit wird mit unverminderter Geschwindigkeit fortgesetzt.“ Es sei aber zu früh, konkrete Konsequenzen zu fordern. Der Fall zeige aber schon, dass die „föderale Sicherheitsstruktur an ihre Grenzen gelangt“.
Die SPD nimmt den scheidenden obersten Verfassungsschützer, der selbst Mitglied der Partei ist, in Schutz. Schließlich habe er sich gegen die Zusammenlegung der Abteilungen Rechts- und Linksextremismus gewehrt, betonte die Obfrau der SPD im Untersuchungsausschuss Eva Högl (siehe unten). Die Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung, Anetta Kahane, hofft, dass der Rücktritt des Verfassungsschutzpräsidenten nun eine „gewisse Vorbildwirkung“ auch für die Landesverfassungsschutzämter habe. Die Behörden müssten lernen, dass es Folgen hat, wenn die Bekämpfung des Rechtsextremismus nicht ernst genommen wird, sagte Kahane der taz. Mit Spannung wird nun der wohl wichtigste Termin in den letzten Wochen von Fromms Amtszeit erwartet: Am Donnerstag tritt er als Zeuge vor dem Bundestags-Untersuchungsausschuss auf.