: Keine Kündigung wegen Brötchenbelags
BAGATELLDELIKTE Großbäcker muss Betriebsrat weiterbeschäftigen: Zwei vielleicht gestohlene Teelöffel Käse-Kräuter-Mischung auf bezahlten Brötchen rechtfertigen keinen Rauswurf, urteilt Arbeitsgericht
BOCHUM taz | Die Großbäckerei Westermann ist mit ihrem Versuch, einen Betriebsrat durch fristlose Kündigung loszuwerden, auch in zweiter Instanz gescheitert: Der Mittelständler aus der Ruhrgebietsstadt Bergkamen muss seinen Bäcker Benjamin Lassak unbefristet weiterbeschäftigen. Das entschied das Landesarbeitsgericht Hamm am Freitag und bestätigte damit ein Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund. Eine Revision ließ das Gericht nicht zu.
Zwei Brötchen und eine „Hirtenfladenbelag“ genannte Käse-Kräuter-Öl-Mischung habe Betriebsrat Lassak vor einem Jahr bei der Arbeit gegessen und sich damit des Diebstahls schuldig gemacht, hatte Westermann behauptet. Juniorchef Miodrag Zecevic wollte den 26-Jährigen zusammen mit einem Arbeitskollegen ertappt haben. Vor Gericht musste Zecevic aber einräumen, dass Lassak die Brötchen im firmeneigenen Backshop gekauft hatte. Selbst den Diebstahl von zwei Teelöffeln des „Hirtenfladenbelags“ mit einem Wert von weniger als 10 Cent konnte der Westermann-Chef nicht beweisen: „Niemand hat gesehen, dass Herr Lassak in das Brötchen gebissen hat“, so Gerichtssprecher Thomas Gerretz zur taz.
Eine „äußerst geringwertige Sache“ sei der Brotaufstrich sowieso, urteilte der Vorsitzende Richter Franz Müller. Selbst wenn Lassak den Belag gegessen habe, rechtfertige dies keine fristlose Kündigung. Zwar könne der Diebstahl auch geringwertiger Dinge durchaus eine Kündigung zur Folge haben, sagte Richter Müller. Im Frühjahr hatte der Fall der Berliner Kaiser’s-Kassiererin „Emmely“ für Schlagzeilen gesorgt, die wegen des Diebstahls von zwei Pfandbons im Wert von 48 und 82 Cents rechtmäßig entlassen worden war. Allerdings müsse immer der Einzelfall abgewogen werden.
Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten begrüßte das Urteil. Mit „fiktivem Diebstahl“ habe Westermann versucht, dass Betriebsverfassungsgesetz auszuhebeln, so Gewerkschaftssekretär Helge Adolphs zur taz: „Ein aktiver und deshalb unbequemer Betriebsrat sollte so kaltgestellt werden.“ (Az.: 13 Sa 640/09) ANDREAS WYPUTTA