: Der hungrige Riese
Basketballprofi Dirk Nowitzki nutzt die Pause in der NBA, um in Franken sein Können zu verfeinern. Er will Fehler ausmerzen, die ihn und die Dallas Mavericks in den Play-offs haben scheitern lassen
AUS WÜRZBURGANDREAS RÜTTENAUER
Er ist wieder zu Hause, in Franken, in seiner Heimat. Dirk Nowitzki, der vor sieben Jahren ausgezogen ist, den amerikanischen Profibasketball zu erobern, weilt in Würzburg. Täglich trainiert er mit seinem Mentor Holger Geschwindner. Auf einem ehemaligen Fabrikgelände, hinter alten Natursteinfassaden, hinter einer unscheinbaren Stahltür arbeitet der Mann an sich, der in diesem Jahr unter die fünf besten Basketballer der US-Profiliga NBA gewählt worden ist.
Die Saison endete mit der Meisterfeier der San Antonio Spurs. Nowitzkis Club, die Dallas Mavericks, war bereits in der zweiten Play-off-Runde gegen die Phoenix Suns gescheitert. Das frühe Aus beschäftigt den großen Franken noch immer. „Das wird mir den ganzen Sommer nachhängen“, meint er und spricht von einer „Play-off-Blamage“. Er arbeitet gegen den Frust an. Nowitzki trainiert. Seinen Antritt will er verbessern, seine Ballbehandlung, „eigentlich alles“, sagt er. „Ich will immer dazulernen, so dass ich am Schluss einer der Besten überhaupt bin.“ Er ist sich sicher, dass es noch etwas herauszukitzeln gibt, anders als bei den meisten seiner Kollegen in der Liga: „Da weiß ich, was jeden Abend rauskommt: Da kommt nichts mehr.“
Ja, sagt Nowitzki, es sei schon toll, zu den fünf Besten in der NBA zu gehören. Aber: „Die wirklich großen Spieler werden in den Play-offs gemacht.“ Die herbe Kritik nach dem Ausscheiden hat ihre Spuren hinterlassen. „In der Führungsposition bin ich noch lange nicht der Beste“, sagt er. Er weiß sehr wohl, was man in Dallas von ihm erwartet.
Olympische Pläne
Nowitzki ist einer der Leitwölfe des Teams. Und in dieser Rolle hat er Fehler gemacht, gerade in den Play-offs. Es sei schon richtig gewesen, dass er seine Mitspieler kritisiert habe. „Nur dass ich einen auf dem Feld angebrüllt habe, das war ein Fehler, so etwas gehört in die Kabine.“ Dann wird der ansonsten ruhige 2,13-Meter-Mann ein wenig wütend. Auf die Frage, ob es stimme, dass er der Mannschaft einen zu niedrigen Intelligenzquotienten bescheinigt habe, antwortet er ungehalten: „Das ist in Deutschland völlig fasch rübergekommen. Ich weiß ja nicht, wer das immer übersetzt.“ Er habe einfach nur von Fehlern gesprochen und dabei auch die fehlende Basketballintelligenz in entscheidenden Situationen bemängelt, er habe aber keinen seiner Mitspieler als dumm bezeichnet. Punkt. Dann verordnet er der Runde einen Themenwechsel.
Im September steht die EM an. Nowitzki soll dafür sorgen, dass der deutsche Basketball wieder den Anschluss findet an die europäische Spitze. Die verkorkste EM vor zwei Jahren ist noch in den Köpfen: „Das war sicher einer der Tiefpunkte in meiner Karriere“, sagt er. Durch das schlechte Abschneiden in Schweden verpassten die Deutschen die Qualifikation für Olympia. Die anstehenden Kontinental-Titelkämpfe in Serbien-Montenegro sind für Nowitzki nur eine Zwischenstation auf dem Weg nach Peking 2008. Er denkt an den Aufbau eines schlagkräftigen Teams. In zwei Jahren muss sich die DBB-Auswahl wieder für Olympia qualifizieren. Nowitzki ist dann 30, und es könnte schon seine letzte Olympiachance sein. Angst vor dem Druck, der dann auf ihm lasten wird, hat er nicht. „Druck ist eine Sache, mit der wir Sportler täglich leben wollen“, erklärt er und grinst lausbübisch.
Dass Pascal Roller, einer der besten Basketballer in der Bundesliga, seine Drohung wahrmachen könnte, die EM zu boykottieren, um gegen die fast völlige Aufhebung der Ausländerbeschränkung in der deutschen Liga zu protestieren, kann er sich nicht vorstellen. Doch Nowitzki versteht Roller. Er glaubt, dass der deutsche Basketball nicht vorankommen wird, wenn die Manager weiterhin vorrangig auf Spieler aus dem Ausland bauen. Und er hat das Gefühl, dass der Basketball-Bund und die Bundesliga eher gegeneinander als miteinander arbeiten. Wieder wirkt er ein wenig angesäuert. Wenn es um seinen Traum von Olympia geht, versteht Nowitzki offenbar keinen Spaß.
Nach Nowitzis Pressekonferenz tauchen große junge Männer in der Halle auf und werfen ihrem Idol bewundernde Blicke zu. Nowitzki schaut noch ein wenig zu, wie sie mit seinem Privatcoach Geschwindner trainieren. Der hat für die Region Würzburg das Players-Development-Program erfunden, um nach der Pleite des Würzburger Basketballteams wieder Spitzenbasketball in Mainfranken zu etablieren. Das fände auch Nowitzki toll. Darüber, dass Bamberg deutscher Meister geworden ist, hat er sich vor allem aus einem Grund gefreut: „Immerhin sind das auch Franken.“ Dann bricht der große Meister auf – voller Vorfreude auf das deftige Essen bei Muttern: „Vor allem Fleisch“, stehe auf dem Menüplan. Fränkische Küche. Der große Dirk Nowitzki steht da und wirkt so gar nicht wie ein Riese. Der Weltstar, ein fränkischer Bub.