Manch einer fühlt sich veräppelt

betr.: „Die Arroganz der Macht“, Kommentar von Stefan Reinecke, taz vom 6. 7. 05

Seit Tagen beherrscht das böse Wort vom „Fremdarbeiter“ die Zeitungsspalten, wenn es um Lafontaine und die neue Linkspartei geht. Natürlich ist der Begriff fragwürdig und unbrauchbar, auch wenn er schon vor 1933 bei uns verwandt wurde und in der Schweiz bis heute für jeden ausländischen Arbeitnehmer benutzt wird. Man kann darin auch eine Anbiederung an den braunen Rand der Gesellschaft sehen, wenn man will. Andererseits fehlen in der Diskussion – auch im Kommentar von Reinecke – zwei wesentlichere Aspekte:

1. Das ausländerfeindliche und menschenverachtende Verhalten zeigt primär nicht der, der den Begriff „Fremdarbeiter“ verwendet, sondern der, welcher diese Menschen für einen Hungerlohn beschäftigt, in Baracken verfrachtet und auf diese Weise ausbeutet und damit zugleich die Löhne der anderen (deutschen wie nichtdeutschen) Beschäftigten herunterdrückt. 2. Die Arbeiterbewegung hat sich in der Vergangenheit auch als Gewerkschaft konstituiert und als solche Tarifverträge abgeschlossen, um die Konkurrenz in der Arbeiterschaft, die nur dem Kapital nützt, aufzuheben. Jetzt ist dieser Weg bedroht, weil Angriffe auf den Flächentarifvertrag diesen immer mehr aufweichen, weil die Belegschaften erpresst werden, auf beschlossene Tarifleistungen zu verzichten, andernfalls drohe die Abwanderung, der Verlust der Arbeitsplätze. In diesen Kontext gehören auch die illegal auf dem Bau Beschäftigten, die EU-Dienstleistungsrichtlinie etc. Diese Entwicklung löst selbstverständlich Angst bei den Betroffenen aus.

Für mich steht fest: Das Problem sind nicht die ausländischen Arbeitnehmer, sondern die Bedingungen, zu denen sie hier beschäftigt werden. Auch ausländische Arbeitnehmer haben Anspruch auf ausgehandelte Tariflöhne und tarifliche Leistungen. Wenden wir uns also den ausbeuterischen und menschenunwürdigen Arbeits- und Lebensverhältnissen dieser Menschen zu – und wenn Lafontaine seinen Begriff nicht nur neu interpretieren, sondern zurücknehmen würde, könnte er den Weg frei machen für diese viel wichtigere Diskussion. ALOIS STIEGELER, Bünde

betr.: „Rechtsdrall nützt Linksbündnis“, taz vom 6. 7. 05

Sie wundern sich, dass der um die Vokabel „Fremdarbeiter“ in den Medien entfachte Entrüstungssturm nicht der neuen Linkspartei die Wähler verjagt. Vielleicht geschieht gerade das umgekehrte. Vielleicht sind die meisten Leute, die immerhin die Personen Lafontaine und Gysi schon länger kennen, nicht bereit, allein aus der Vokabel „Fremdarbeiter“ eine rechte Gesinnung herzuleiten. Die Diskussion um „fremde Arbeiter“, die zu Hungerlöhnen in niedersächsischen Schlachthäusern schuften, was wiederum zur Entlassung der vormals angestellten Fleischer führte, wurde schließlich nicht von Lafontaine begonnen.

Wenn sich die gesamte Medienwelt auf diese eine Vokabel stürzt und – ohne Kontext – das als Beweis rechtsradikaler Gesinnung anprangert, fühlt sich manch einer veräppelt und wittert darin eine konzertierte Aktion wie sie einstmals auch den Grünen gegenüber inszeniert wurde. Der Effekt ist vermutlich gerade gegenteilig zur verfolgten Absicht. PETER GUMM, Wohratal