: Täter oder Opfer
AUSGESETZT In Braunschweig platzt das Verfahren gegen einen angeblichen Polizisten-Beleidiger
Viel Hoffnung in die Justiz hatte Karl-Philipp Schmidt (Name geändert) nicht, als er gestern Saal E 105 des Amtsgerichts Braunschweig betrat: Aus seiner Sicht war der Hamburger im Juni vorigen Jahres Opfer von Polizeigewalt geworden. Vor Gericht stand aber nun er selbst: Die beteiligten Polizisten hatten ihn unter anderem der Beleidigung und versuchten Körperverletzung bezichtigt, und die Staatsanwaltschaft schloss sich dem an. Der gestrige Prozessauftakt verlief turbulent – und ohne Ergebnis.
Schmidt war damals Zeuge einer rüden Personenkontrolle von Jugendlichen geworden. Als er kritisch nach dem Grund fragte, wurde er selbst zur Zielscheibe der Staatsgewalt: Schmidt zufolge pressten ihn die Beamten an eine Hausmauer, er wurde durchsucht und in Gewahrsam genommen. Aus seiner Hosentasche beschlagnahmten sie den Wohnungsschlüssel seiner Braunschweiger Gastgeberin. Deren Wohnung durchsuchte wenig später ein halbes Dutzend Polizisten – ohne Durchsuchungsbescheid und entgegen dem Protest anwesender Gäste.
Schmidt soll es derweil auf der Polizeiwache Friedrich-Vogtländer-Straße schlimmer ergangen sein: Nach eigenen Angaben wurde er bedroht, fixiert und gewaltsam entkleidet, musste eine Blutprobe abgeben. „Wenn du nicht mit uns kooperierst, brechen wir dir den Arm oder machen dir die Hoden ab“, sei gedroht worden. Erst nach neun Stunden war Schmidt wieder auf freiem Fuß – mit diversen Verletzungen.
Schmidt erstattete Anzeige wegen Freiheitsberaubung, was polizeiinterne Ermittlungen auslöste. Bald darauf ging ihm eine Strafanzeige seitens der Beamten zu: Er habe einen Polizisten als „Bullenschwein“ bezeichnet und nach ihm getreten. Auch habe er seine Arme vor der Brust verschränkt und sich nicht ohne Widerstand ausgezogen.
Vor Gericht gab es gestern heftige Verfahrensstreitigkeiten: Zunächst stellte Verteidiger Alexander Kienzle einen Befangenheitsantrag gegen die Amtsrichterin, weil der Saal zu klein war für das Publikumsinteresse. Dann legte Kienzle mit einem Aussetzungsantrag nach: Ihm sei eine Akte vorenthalten worden. Die Richterin setzte das Verfahren daraufhin auf unbestimmte Zeit aus. KAI VON APPEN