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Archiv-Artikel

Keine Kanon-Leierei

Privatschulen stehen für Drill und Elite? Quatsch!

EIN KOMMENTAR VON JULIA HAASE

Argumente dagegen hat jeder parat: Sie seien zu elitär, förderten vor allem Kinder aus dem Bürgertum, während sie die anderen ausgrenzten. Die horrenden monatlichen Gebühren brächten nur Chancenungleichheit. Oft herrsche eher Drill als Leistungsförderung, wenn man Chinesisch für Sechsjährige anbietet. Herzlich Willkommen in der Privatschuldebatte!

Wie kam es überhaupt zu dieser Diskussion? Seit den Pisastudien stehen Eltern und Schüler unter Druck. Pädagogen fingen an, die Art der Wissensvermittlung und den Erziehungsauftrag der Schule zu hinterfragen. Politiker und Professoren redeten von Bildungs- und Statuspanik, die Angst vor dem Abgleiten der Mittelschicht in untere Schichten. Schule war nicht mehr nur Schule. Die Erwartungen an sie stiegen, denn es ging nicht mehr nur um das bloße Lehren und Lernen. Auf einmal spielte auch der Protagonist des Stücks, das Kind, eine Rolle. Diese Stimmung nutzten Privatschulinitiativen. Sie reagierten mit alternativen pädagogischen Ansätzen auf die Bildungsdebatte. Es begann eine Gründerzeit der Privatschulen. Die Nachfrage der Eltern ist gestiegen, das zeigt der erbitterte Wettbewerb um freie Plätze. Manche Eltern melden ihre Neugeborenen an – Jahre im Voraus.

Aus dieser Nachfrage ist das Bild der Privatschulen als Elitefabrik für Kinder überehrgeiziger Eltern entstanden, es ist ein Zerrbild. Denn kaum eine dieser Schulen behauptet, ihre Schüler seien besser als Schüler der staatlichen Schulen. Gute Noten und Einser-Abschlüsse bekommt man auch dort nicht geschenkt oder kann sie sich gar erkaufen. Der Bau einer Karriereleiter ist nicht die Aufgabe einer Privatschule. Eltern können sich nicht zurücklehnen und von der Pflicht entbunden fühlen, für die Bildung ihres Kindes zu sorgen, nur weil es eine Privatschule besucht. Die Kinder bekommen kein Fünf-Sterne-all-inclusive-Bildungspaket. So funktionieren Privatschulen nicht. Sie kennzeichnet eher ihre Brückenfunktion zwischen einem festgefahrenen staatlichen Schulmodell und informellem Lernen. Und dem Fokus auf individuelle Bedürfnisse.

Da Privatschulen nichtstaatlich sind, nennen sie sich auch freie Schulen. In staatlichen Schulen wird viel zu oft ein Bildungskanon heruntergeleiert. Für individuelle Förderung bleibt wenig Zeit, und über alternative Schulmodelle debattieren Politik und Schulbürokratie monatelang, jahrelang, bis zur Erschöpfung. Privatschulen sind da unabhängiger. Klar, auch sie müssen sich an Richtlinien orientieren. Aber sie können sich an pädagogischen Ansätzen wie der Lehre von Maria Montessori freier und schneller bedienen als staatliche Einrichtungen. Sie experimentieren und schauen auf die Bedürfnisse der Kinder. Und bieten Lernbegleiter, Feriencoaching oder intensive Einzelbetreuung leistungsschwacher Schüler. Das Zentrum, von dem alles ausgeht, ist das Kind. Die neue Bildung: die vieler Individualisten? Und falls ja, wäre das dann das Schlimmste?