: Die Ferien des Monsieur Barcode
CAMPING In „Holidays by the Sea“ versucht Pascale Rabaté, eine moderne Variante des Klassikers „Les Vacances de Monsieur Hulot“ von Jacques Tati zu inszenieren und ist dabei immerhin skurril, aber nicht wirklich komisch
VON WILFRIED HIPPEN
Viele Menschen wirken gerade dann besonders verkniffen, wenn sie versuchen, Spaß zu haben. Diese Erkenntnis inspirierte Jacques Tati zu seinem Film „Die Ferien des Monsieur Hulot“, der neben „Schützenfest“ am besten von seinen Werken gealtert ist und (nach der bescheidenen Meinung des Rezensenten) zu den besten Filmkomödien aller Zeiten zählt. Dass Pascale Rabaté sich diesen Klassiker zum Model genommen hat, merkt man gleich am Beginn, wenn ein extrem langsames Elektroauto auf dem Weg zum Urlaubsort am Meer dafür sorgt, dass die anderen Autos in einer langen Schlange hinter ihm her kriechen. Genauso jukelte Monsieur Hulot mit seinem wackeligen Auto in Richtung Strand, wobei er nur nach heftigstem Hupen einen auf der Straße liegenden Hund dazu bewegen konnte, sich langsam aus dem Weg zu bequemen. Neben dem Knarren einer Tür gehört dieses Hupen zu den Tönen, die man nicht vergisst, denn Tati arbeitete extrem sorgfältig am Sounddesign (das Wort gab es damals noch gar nicht) und verzichtete dafür so gut wie ganz auf Dialoge. Und auch hier folgt Rabaté seinem Meister, denn in „Holidays By the Sea“ murmeln die Protagonisten bestenfalls unverständlich vor sich hin, sodass sich eine Synchronisation erübrigt. Es gibt allerdings Pointen, die darauf basieren, dass der Zuschauer das geschriebene Wort (in Zeitungsschlagzeilen oder beim Srcabblespiel) versteht, und so wären seltsamerweise Untertitel bei diesem angeblich gänzlich nonverbalen Film hilfreich gewesen.
Rabaté zeigt typische Urlaubsgäste in typischen Feriensituationen, die jeweils ein wenig ins Absurde verschoben werden. So gibt es im Supermarkt des Ferienortes auf den Regalen jeweils nur eine Bierdose, eine Tüte mit Zucker und eine Kekspackung im Regal, das nach jedem Einkauf in aller Ruhe vom Filialleiter wieder aufgefüllt wird. Dieser liest dafür den tätowierten Barcode im Nacken einer Kundin ab und dessen verborgene Botschaft leuchtet im Display seiner Kasse auf. Ein Golfspieler trifft mit seinem Ball den Kopf eines Kaninchens, ein übergewichtiges Paar muss sich in eine extrem kleine Campinghütte zwängen, ein fortgeflogener Drache verfängt sich in der Halskette einer Urlauberin und diese begibt sich zusammen mit dem Drachensteiger auf eine Verfolgungsjagd, die auf einem FKK-Strand endet. Anders als der ja immer eher keusche Monsieur Tati findet Rabaté auch Sex witzig, aber weder die schwarzen Balken vor den Geschlechtsmerkmalen der Nudisten noch die extrem ausgewalzte Episode mit dem Sadomasochisten, dessen Domina sich mit seinem Geld und Auto davonmacht, nachdem sie ihn ans Bett gefesselt hat, sind wirklich witzig. Stattdessen bekommt der Film durch diese Elemente einen unangenehmen Unterton. Manchmal rückt Rabaté seinen Protagonisten zu nah an die Haut.
Als ehemaliger Comiczeichner legt er eher Wert auf die Bildgestaltung als auf die schauspielerischen Leistungen seiner Darsteller. So sind etwa Maria de Medeiros, die einst in „Pulp Fiction“ die Freundin von Bruce Willis spielte und der Stammspieler von Jean-Pierre Jeunte Dominique Pinon in diesem Film eher unterfordert, weil sie wie die anderen nicht als Charaktere, sondern als Typen in Szene gesetzt werden. Für keinen von ihnen bringt man besonders viel Interesse auf, ihre Schrullen erkennt man schnell und dann werden sie bald uninteressant. Hier hat Rabaté leider überhaupt nichts von Tati gelernt, und so wirkt der Film trotz seiner nur 77 Minuten eher ermüdend.