Grüne machen Großairport klein

Die Grünen legen eine detaillierte Kritik am Schönefeld-Ausbau vor. Viel zu groß, überteuert und falsch angebunden sei der geplante Großflughafen. Sie schlagen stattdessen eine Mini-Version vor

VON ULRICH SCHULTE

Grünen-Verkehrsfachfrau Claudia Hämmerling und -Haushälter Oliver Schruoffeneger forderten gestern einen deutlich geschrumpften Großflughafen Berlin Brandenburg International (BBI) – und gaben der jetzigen Planung vor Gericht keine Chance. Die Kritik ist passend platziert, denn im ersten Halbjahr 2006 will das Bundesverwaltungsgericht endgültig über das Planfeststellungsverfahren für den BBI entscheiden. Ihre Argumente für einen „Plan B“ finden sich auch in einem Gutachten, das der taz vorliegt (siehe Bericht unten). Eine Übersicht über eine grüne Mini-Version:

Für Billigflieger planen

Der Neubau ist nach Ansicht der Grünen in keiner Weise für Billigflieger ausgelegt, die gerade in Schönefeld boomen. Ein Beispiel: Die Planungen sehen 78 Fluggastbrücken vor, aus denen Passagiere aus dem großen Terminal direkt in die Flieger steigen. Billigflieger wie Easyjet setzen auf komfortarme Abflughallen und karren die Leute per Bus aufs Flugfeld. „Wenn man von Billigfliegern Gebühren nimmt, die die geplante Luxusversion decken, sind die weg“, sagt Hämmerling. Auch habe sich die Drehkreuz-Idee erledigt. Künftig würden 90 Prozent der Passagiere aus der Region stammen. Der Vorschlag der Grünen lautet, eine hochwertige Anlage für Linienflüge zu bauen, dazu eine günstige Halle für Billigflieger ohne Fluggastrüssel. Die Flughafengesellschaft entgegnet, in der ersten Ausbaustufe könnten – entsprechend den Prognosen – 20 Millionen Leute jährlich abgefertigt werden. „Die Billigflieger werden berücksichtigt“, sagt Sprecher Ralf Kunkel.

Startbahnen kürzen

Der Planungsstand sieht die Verlängerung der Nord-Startbahn auf 3.600 Meter und den Neubau einer 4.000 Meter langen Südbahn vor. Klar zu lang, finden die Grünen. Der neue Airbus A 380 brauche voll betankt nur 2.816 Meter zum Abheben, selbst der alte Jumbo-Jet 747 von Boeing nur 3.352 Meter. Die Doktrin, dass größere Flugzeuge auch immer längere Bahnen brauchten, gelte längst nicht mehr, sagt Schruoffeneger. „Die Planung ist veralteter Größenwahnsinn.“ Die Flughafengesellschaft sieht das anders. Neben platzheischenden Fliegern wie der 747 müssten künftige Typen mitbedacht werden, sagt Kunkel.

Weniger Fläche zubauen

Der Großflughafen macht sich aus Sicht der Grünen viel zu breit. Ein Beispiel ist der Abstand zwischen den Startbahnen, derzeit auf 1.900 Meter geplant. Dank moderner Navigationstechnik reichten 1.035 Meter völlig, so die Grünen. Auch seien die Parkplätze für die Flieger viel zu großzügig – in München brauchen sie etwa ein Drittel weniger Platz. 50 Hektar ließen sich locker einsparen, das wären fast 70 Fußballplätze. Netter Nebeneffekt des Ganzen wäre, dass die lärmbelasteten Gebiete im Umland kleiner blieben. Aus Sicht des Flughafensprechers ist der BBI ein „kompakt geplanter“ Airport. „Durch den Abstand besteht bei Parallelabflügen keinerlei Gefahr durch Verwirbelungen“, so Kunkel.

Andere Bahnanbindung

Ein Kernpunkt der Kritik ist die „völlig unwirtschaftlich geplante“ Bahnanbindung, sagt Hämmerling. „Die unterirdischen Anlagen samt ICE-Anschluss haben die Größe des neuen Hauptbahnhofs.“ Geplant seien neben der S-Bahn alle zehn Minuten je Stunde ein Airport-Shuttle, zwei Regionalzüge und ein ICE. „Zusammen sind das 80 Millionen Sitzplätze im Jahr. Wer soll da sitzen, bei 20 Millionen Fluggästen?“, fragt die Grünen-Abgeordnete. Fatal findet sie auch die Verquickung von unterirdischem Bahnhof und Flughafenterminal: Ein Bahnhof in 20 Meter Tiefe ist viel teurer, das Terminal kann erst nach der Fertigstellung gebaut werden und die Zwei-in-eins-Planung birgt Sicherheitsrisiken – wenn ein Zug unten brennt, legt er alles lahm. Der Gegenvorschlag der Grünen ist, mit einem Bruchteil der nötigen Summe den jetzigen Bahnhof Schönefeld auszubauen. „Die ICEs könnten über die Stadtbahn und den Außenring zum Flughafen fahren“, fügt Hämmerling hinzu. Für die Anbindung würde ein Shuttle sorgen.

Finanzen überprüfen

Die Rechnung für den Bau sei höchst zweifelhaft, finden die Grünen. Die Kalkulation geht von 1,9 Milliarden Euro für den Bau aus. Berlin, Brandenburg und der Bund übernehmen 430 Millionen. Den Rest von 1,5 Milliarden finanzieren erst mal Kredite und Bürgschaften. „Den heutigen Einnahmen aus dem Flugverkehr von 130 Millionen jährlich steht die Prognose von 380 Millionen im Jahr 2020 gegenüber“, sagt Schruoffeneger. Derart hohe Erwartungen seien nicht zu rechtfertigen.