: Gericht: Mehr Bürgerbeteiligung
FLUGHAFEN Für die Lärmgegner sieht es vor dem Bundesverwaltungsgericht schlecht aus. Dennoch: Beim nächsten Projekt solle die Planung anders laufen
Der erbitterte Streit über die Flugrouten am Hauptstadtflughafen muss aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig Folgen für künftige Großprojekte haben. Die Pläne sollten in mehr Gemeinden ausgelegt werden, damit mehr Bürger zu Wort kommen können. „Das bedeutet, dass man den Kreis weiter ziehen muss“, sagte der Vorsitzende Richter des für Baurecht zuständigen vierten Senats, Rüdiger Rubel, am Mittwoch.
Das brandenburgische Verkehrsministerium und die staatliche Betreibergesellschaft hatten den Hauptstadtflughafen seit 1998 mit schnurgeraden Abflugrouten geplant – obwohl sie wussten, dass die Richtlinien für das geplante Betriebssystem abknickende Routen vorsehen. Diese wurden jedoch erst vor einem halben Jahr verbindlich festgelegt. Künftig werden tausende Anwohner überflogen, die lange nicht damit rechneten; einige von ihnen klagten daher vor dem höchsten deutschen Gericht.
Die Anwohner aus Zeuthen und Mahlow warfen dem Ministerium als Planfeststellungsbehörde am Mittwoch vor, die Bürger jahrelang belogen zu haben, um keinen Widerstand gegen das Milliardenprojekt dicht an der Berliner Stadtgrenze in Schönefeld zu provozieren. Sie wollen, dass das Planfeststellungsverfahren neu aufgerollt wird – mindestens aber, dass die Kapazität des Flughafens so gestutzt wird, dass Geradeausstarts möglich sind. Die Erfolgsaussichten sind nach zwei Verhandlungstagen aber gering.
„Es geht um das Herzstück des Flughafens, die Betroffenen-Abwägung als Herzstück der Planung“, sagte Kläger-Anwalt Mathias Hellriegel. Der Planfeststellungsantrag des Flughafens von 2004 sei wegen der geraden Flugrouten „unrichtig und unvollständig“. Richter Rubel sagte aber wie am Vortag, die Anwohner hätten schon früher gegen den Planfeststellungsbeschluss klagen können. Hellriegel antwortete: „Ihnen wurde gesagt: Ihr seid ja gar nicht betroffen.“
Das Gericht hatte am Dienstag als wahr erkannt, dass Betreiber und Ministerium wussten, dass abknickenden Routen notwendig würden. Außerdem sei zu erkennen, dass sie in der fraglichen Planungsphase bewusst und gewollt mit der Deutschen Flugsicherung zusammenwirkten. Den Täuschungsvorwurf wiesen Verteidiger beider Seiten aber zurück. Eine Entscheidung will das Gericht am 31. Juli verkünden.
„Das ist die Rechtslage“
Dass die Routen sich ändern können, stand laut Ministeriums-Anwalt Klaus-Peter Dolde nicht in den ausgelegten Plänen. „Das ist doch die Rechtslage, das muss der Bürger doch wissen“, wies er Vorwürfe zurück – unter Gelächter angereister Betroffener. Rubel erwiderte, der Hinweis sei nicht zwingend, wäre aber bürgerfreundlicher gewesen.
Am Dienstag war das Bundesverwaltungsgericht zwar dabei geblieben, dass die Planer zwar Fehler machten. Die Planung mit Geradeausstarts sei für die damalige Frage der Lärmabwägung aber ausreichend gewesen.“ Das schwer aufzulösende Grundproblem sei, dass Flugrouten sich häufig ändern und deshalb erst kurz vor der Inbetriebnahme festgelegt werden. Der drittgrößte deutsche Flughafen soll nach zwei abgesagten Eröffnungen nun im März 2013 in Betrieb gehen. (dpa)