: Die Reichen siegen auch bei Pisa
Am Donnerstag werden Teilergebnisse der neuen Pisa-Studie veröffentlicht. Große Abweichungen von der ersten Untersuchung sind nicht zu erwarten. Eine Studie der Uni Essen zeigt: In reichen Bundesländern haben Kinder viel bessere Lernbedingungen
VON SABINE AM ORDE
Sollte es dieses Mal tatsächlich klappen? Sollten es wirklich die Kultusministerkonferenz (KMK) und das deutsche Pisa-Konsortium sein, die der Öffentlichkeit die Ergebnisse des neuen Pisa-Bundesländervergleichs präsentieren? Bislang waren Teilergebnisse der Schülerleistungsstudien stets einige Tage vor der offiziellen Veröffentlichung zu Agenturen, Zeitungen und Nachrichtenmagazinen durchgesickert. So wurden sie von allen Seiten bereits instrumentalisiert, bevor die ganze Studie öffentlich vorlag. Doch bis gestern Nachmittag blieb alles ruhig. Offiziell sollen die Ergebnisse am Donnerstag vorgestellt werden – und damit zwei Monate früher als geplant. Wegen der geplanten Neuwahlen hat die KMK den Präsentationstermin vorverlegt.
Als sicher gilt, dass Bayern und Baden-Württemberg erneut die ersten beiden Plätze beim Pisa-Ranking belegen werden. Nach Einschätzung von Experten wird sich auch an der weiteren Rangfolge der Bundesländer in Sachen Schülerleistungen gegenüber der ersten Pisa-Untersuchung generell nicht viel verändern. Bildungsreformen brauchen eben extrem lange, bis sie greifen. In der 2002 veröffentlichten Untersuchung, in der vor allem die Lesekompetenz der SchülerInnen untersucht wurde, lagen Sachsen-Anhalt und Bremen ganz hinten. Der Unterschied zwischen den Leistungen der SchülerInnen aus Bayern und denen aus Bremen entsprach dabei dem Lernstoff von anderthalb Schuljahren. Auf diese einfache Formel wurden die komplizierten Pisa-Ergebnisse damals gebracht. Die Bildungsgewerkschaft GEW befürchtet nun, dass diesmal weiter gehende Erkenntnisse gar nicht möglich sind. Denn am Donnerstag werden nur Teilergebnisse der Untersuchung präsentiert, bei der diesmal die Mathefähigkeiten der SchülerInnen im Mittelpunkt stehen. Die vollständige Veröffentlichung der Pisa-Ergebnisse ist erst für Ende Oktober vorgesehen.
„Dieses bescheuerte Ranking bringt uns nicht weiter“, kritisierte der Essener Bildungsforscher Klaus Klemm am Wochenende – und hat Recht damit. Denn eine Rangfolge ist nur begrenzt aussagekräftig. Sie erläutert zwar, wie gut oder schlecht die SchülerInnen aus den einzelnen Bundesländern auf ihr Berufsleben vorbereitet sind. Sie sagt aber nichts über die Qualität des Bildungssystems eines Bundeslandes, einer einzelnen Schule oder gar des Unterrichts eines einzelnen Lehrers. Oder wie sozial gerecht es an der Schule zugeht. „Dazu braucht man bereinigte Zahlen, sonst bildet man nur den unterschiedlichen Reichtum der Länder ab“, sagte Andreas Schleicher, der bei der OECD die internationalen Pisa-Studien koordiniert. Schleicher, Bildungsforscher Klemm und dessen Kollege Rainer Block waren auf Einladung der Gewerkschaft GEW am Wochenende nach Berlin gekommen, um Journalisten noch einmal zu erklären, was bei der Bewertung der Pisa-Studie alles zu berücksichtigen ist. Denn die GEW befürchtet, dass der seriöse Umgang mit den Daten schon aus Zeitnot „in Gefahr gerät“, wie es Schulexpertin Marianne Demmer nannte.
Als Hintergrund zur anstehenden Pisa-Debatte präsentierten die Bildungsforscher Klemm und Block eine Studie über die unterschiedlichen Rahmenbedingungen für das Lernen in der Schule in den 16 Bundesländern. „Damit wollen wir eine Folie liefern, auf der man die Pisa-Ergebnisse auch interpretieren kann“, so Klemm. Die Forscher werteten im Auftrag der GEW unter anderem Daten über Erwerbstätigkeit und Wirtschaftskraft der Länder aus, über Kindergartenplätze, Klassengrößen und den familiären Hintergrund der SchülerInnen; denn diese beeinflussen das schulische Lernen. Ihr zentrales Ergebnis: In den untersuchten Bereichen klafft eine große Lücke zwischen den Bundesländern. Angesichts der immer größeren Schere zwischen armen und reichen Bundesländern hält Klemm die im Grundgesetz verlangte Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik für gefährdet.
Unter den vier Ländern, die nach der Essener Untersuchung über die besten Rahmenbedingungen verfügen, sind auch die vermutlichen deutschen Pisa-Sieger: Bayern und Baden-Württemberg. Ebenfalls mit dabei sind Hessen und Rheinland-Pfalz.