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Archiv-Artikel

Gemeinsam Firma machen

Die Düsseldorfer Joseph-Beuys-Schule folgt auf eigenwillige Art einem modischen Trend in der Bildungslandschaft. Ihre Schülerfirmen arbeiten als Genossenschaften – und vermitteln, dass Wirtschaften mehr als Profitmaximieren bedeutet

Die J. B. Services residiert in einem blauen Holzcontainer. Der etwas abgerissene Firmensitz steht auf dem Schulhof der Joseph-Beuys-Gesamtschule in Düsseldorf. In jeder größeren Pause geht von innen das kleine Fenster auf, an dem eine Preisliste klebt: Im Angebot sind Radiergummis, Hefte, Bleistifte, Buchstützen und noch ein Dutzend weiterer Schreibwaren. „Tippex ist der Renner. Da haben wir schon zweimal den Preis erhöht“, berichtet André Mroß, der bei J. B. Services für die Finanzen zuständig ist. Wir ist wörtlich zu nehmen: Denn die Beuys-Services sind eine Schülergenossenschaft. Alle reden hier mit.

Schülerfirmen wie die J.B. Services sind längst nichts Besonderes mehr. Aber fast nirgendwo sonst in Deutschland sind sie unter dem Dach einer Genossenschaft organisiert. „Normalerweise werden Schülerfirmen nach einem Jahr wieder abgewickelt. Wir können bis in die Ewigkeit Firmengeschichte schreiben“, erklärt der Chef von J.B. Services, André Wemmers. Die MitarbeiterInnen kommen und gehen – die Firma bleibt.

Die SchülerInnen sollen eine Form solidarischer Ökonomie kennen lernen, so das Kalkül der LehrerInnen. Schließlich geht es bei einer Genossenschaft darum, für die Mitglieder einen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen. „Wer Genosse ist, bekommt seine Hefte und Stifte billiger bei uns,“ übersetzt André Mroß. Einmal 25 Euro kostet die Mitgliedschaft für LehrerInnen, SchülerInnen und Eltern. Nur in der Startphase gab es zusätzlich ein paar tausend Euro von der EU über das Programm „Lokales Kapital für soziale Zwecke“; ansonsten finanziert sich die Genossenschaft über einen Anteil an den Unternehmensgewinnen der Schülerfirmen. Aber sie bietet auch Hilfe, wenn eine der Firmen in wirtschaftliche Not gerät.

Kredit abarbeiten

Was das konkret bedeutet, hat J. B. Services am Anfang des Schuljahres selbst erlebt. Einen dicken Gewinn und volle Lohntüten hatten die zwölf SchülerInnen erhofft, als sie eine Riesenbestellung für Schulbücher aufgaben. Dann lieferte der Verlag viel zu spät, die Lehrer moserten, und in der Hektik vergaßen einige MitarbeiterInnen zu notieren, wem sie schon ein Buch ausgehändigt hatten und wem nicht. Obendrein hatte niemand darauf bestanden, vom Verlag eine schriftliche Zusage für die 25 Freiexemplare einzufordern – und der konnte sich plötzlich an nichts erinnern. „Am Schluss fehlten 500 Euro“, ärgert sich der 17-jährige Firmenchef.

Der Vorstand der Schulgenossenschaft musste zu einer Krisensitzung zusammen kommen. Er beschloss, J. B. Services einen zinslosen Kredit zu gewähren. Seither stottert das Unternehmen 50 Euro im Monat ab. „Lohn gibt es bei uns zur Zeit nicht“, sagt André Wemmers, der jede Woche mehrere Stunden Freizeit opfert. Auch bei den beiden anderen Schülerfirmen werden die Arbeitsstunden gegenwärtig nur aufgeschrieben und nicht ausbezahlt. Drei Euro brutto hatten sich die Jugendlichen in der Anfangszeit genehmigt; inzwischen wurde der Lohn auf einen Euro gesenkt. Gekündigt hat deswegen aber bisher nur einer.

Fastpleite spornt an

„Ich finde es gut, dass wir das alles mal ohne wirkliches Risiko ausprobieren können“, sagt der Achtklässler Adrian Rouzbeh vom Medien-Service. Das ist die jüngste der Schülerfirmen an der Düsseldorfer Joseph-Beuys-Gesamtschule. Die sieben Jungens machen in High-Tech. Sie kopieren Videos, besorgen Computer-Equipment und installieren Soft- und Hardware. Auch ihnen hat die Fastpleite der Schwesterfirma J. B. Services einen gehörigen Schrecken eingejagt – und zugleich sind sie sich nun sicher, dass ihnen diese Fehler nicht unterlaufen werden.

Die SchülerInnen lernen über die andere Organisationsform den Unterschied der Führungsstile kennen. André Wemmers versucht sich als Patriarch. Er spricht von „meinen Mitarbeitern“, bezeichnet sich selbst als „graue Eminenz“ – und schuftet so viel wie kein anderer. Ganz anders geht Amela Ramadan die Aufgabe an. Sie leitet die Dienstleistungsfirma „Jugend-Services“, die Buffets organisiert, einen Babysitter schickt oder einen Garten umgräbt. Immer wenn Probleme in einer Abteilung auftauchen, setzt Amela ein klärendes Gespräch an. „Sie macht das gut und hat auch einen guten Überblick über die Finanzen“, lobt Marketing-Abteilungsleiterin Maike Günterberg.

Auch die Chefin selbst ist zufrieden. „Vielleicht gründe ich später mal ein Unternehmen. Mir macht so was Spaß. Das habe ich jetzt rausgefunden“, sagt die 16-Jährige. ANNETTE JENSEN