: Die Berichterstattung explodiert
betr.: „London 7. Juli 2005“ u. a., taz vom 8. 7. 05, „London sucht die Mörder“ u. a., taz vom 9. 7. 05
Nun ist „Make poverty history“ bereits Geschichte. Was kümmern uns zehntausende krepierende Menschen pro Tag, wenn bei UNS ein paar Bomben explodieren. WIR sind die Opfer, UNS geht es schlecht, WIR sind bedroht. Wie über Zeitzünder gekoppelt explodiert die Berichterstattung wenige Schrecksekunden später. Und ihr Umfang verhält sich umgekehrt proportional zu ihrer Gedankentiefe. Man kann hier regelrecht messen, wie wenig uns die Armut in der Welt tatsächlich interessiert. Und welchen Anspruch der Journalismus an sich selbst stellt. THEO SCHMIDT, Dresden
Schade, auch die taz berichtet äußerst ausführlich in Wort und Bild über die grausamen Ereignisse in London. „London sucht die Mörder“, „Ermittlungen im Dunkeln“, „Vier Deutsche unter den Opfern“. „Das ist britische Weisheit“, „Wir sind alle Londoner“.Wir lernen auf diesem Wege ein Stück Großbritannien und viel von London kennen. Tatsache: Für Afrika fehlt erneut Raum und Platz. Live 8 hatte zwar nicht zuerst die Stimmen der Afrikaner zum Klingen gebracht, aber dennoch versucht, für uns Europäer Afrika in den Blick zu rücken. Was ist davon geblieben? Welche Lobby haben Eine-Welt-Läden und fair gehandelte Produkte? Erneut lernen wir nur wenig kennen von dem, was Afrika bewegt und bewegen kann. Schade.
ANDREAS WESTERBARKEI, Berlin
betr.: „Das ist britische Weisheit“, taz vom 9. 7. 05
Die taz strickt also munter mit an dem von Mainstreamblättern beschworenen Mythos Wirtschaftswunderland/Migrationswunderland England.
Der New Deal des Tony Blair hat in erster Linie die Mittelschichten prosperieren lassen, für sog. Benachteiligte bleiben nur die Untergrundjobs in den vielen öffentlichen Toiletten, in Hinterküchen von Restaurants, als StraßenkehrerInnen, StraßenbauerInnen, FahrerInnen der öffentlichen Verkehrsbetriebe u. ä. sozial niedrig angesiedelte und körperlich schwer zu verrichtende Tätigkeiten.
Ein Tagesbesuch in London (wenn die Verkehre wieder reibungslos funktionieren) ist da zu empfehlen: Asian/African-British Citizens bei o. g. Arbeit überall sichtbar im Tagesgeschehen, übrigens auch in anderen Städten wie Birmingham und Manchester. Den Tagesbesuch sollten Sie darüber hinaus nutzen und sich nach der Zusammensetzung der nationalen Arbeitslosenstatistik erkundigen. Hier sorgt die Interpretation, wer statistisch als erwerbsfähig aufgeführt ist, garantiert für Überraschungen und eine im europäischen Raum phänomenal geringe Prozentmarke.
Bitte fragen Sie auch an den zuständigen Stellen, wie viele Menschen mit Migrationshintergrund politische MandatsträgerInnen sind, wie viele Rechtsanwälte, UnternehmensberaterInnen und andere High Profiler mit dunkler/er Hautfarbe bzw. islamischem Glaubensbekenntnis in der Londoner City die Mittelschichtsleiter erklimmen konnten. Und wenn Sie mit etwa 20 bis 30 Prozent zurückkomen, glaube ich Ihnen ein bisschen, dass England vielleicht doch auf dem richtigen Weg ist. RENATE FIEDLER, Bremen
Dieser und andere Anschläge sind durch nichts zu rechtfertigen und wahrlich Barbarei. Doch wie barbarisch mag es z. B. einem Südamerikaner erscheinen, der für ’n Apfel und ’n Ei in Bananenplantagen unter unmenschlichen Bedingungen schuften und seine Gesundheit aufs Spiel setzen muss, um den Bedarf der nördlichen Weltkugel zu stillen. Dies, während die Plantagenbetreiber – Millionäre aus den westlichen Staaten – die Gewinne einheimsen. Das gilt auch für sehr viele andere Gebiete, in denen Bewohner unter unwürdigen Bedingungen mit einem Hungerlohn schuften müssen, um unsere Bedürfnisse zu befriedigen.
Man lässt sie nicht nur verhungern, man beutet sie aus und saugt den letzten Rest Reichtum aus dem Land. Unterdrückte, verhungernde Menschen, Gefangenenlager ohne die Existenz von Menschenrechten oder Kolateralschäden – auch derart getötete Menschen sind tot, und die Wut der Angehörigen ist nicht minder groß. All dies ist Wasser auf die Mühlen des Terrorismus. Zudem kann man Gewalt nie mit Gegengewalt besiegen. Man muss Terrorgruppen zerschlagen, Terroristen gefangen nehmen und ihnen einen gerechten Prozess machen. Aber man muss eben auch das Übel bei der Wurzel packen und nicht bei den Früchten. TORSTEN JÄGER, Bodenheim
betr.: „Hoher Preis für Sicherheit“, taz vom 8. 7. 05
So berechtigt die Sorgen um eine angemessene Balance zwischen Terrorbekämpfung und Wahrung von Bürgerrechten sind – für diese Diskussion hätte es in diesem Jahr 364 andere, weitaus besser geeignete Tage gegeben. Über dem frisch vergossenen Blut von bisher 37 Toten und hunderten Verletzten hierüber zu sinnieren, ist geschmacklos und unangebracht. THOMAS SCHRÖDER, Münster