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Archiv-Artikel

Wirb oder stirb

Premium-Begräbnis oder Discount-Urne? Auch der Tod muss besser vermarktet werden

„Die deutsche Bestattungsbranche ist einfach statisch und träge“

Das Kuratorium für Bestattungskultur hat zu einer Tagung eingeladen. Vorn, auf der Leinwand, werden Plakate gezeigt. Eine Frau steht auf dem Friedhof, einen Spaten in der Hand: „Und wer hebt die Grube aus?“ Auf einem anderen sieht man eine Mülltonne: „Sorry, Opa, mehr war nicht drin.“ Dann erscheint ein Einkaufszettel: Butter, Eier, Milch, Urne. Die Plakate sind Beiträge eines Kreativwettbewerbs. Die Werbung trifft den Tod – und die Zuschauer lachen.

„Wer nicht wirbt, stirbt“ lautet das Motto der Tagung in Berlin. Das Interesse ist groß, 250 Teilnehmer, ausgebucht. Die meisten sind Bestatter, die sehen möchten, was alles möglich ist.

Humor geht immer – aber wo bleibt die Pietät? Mancher im Publikum schüttelt ungläubig den Kopf. Werbung und Marketing waren lange Zeit Fremdwörter in einer Branche, der eine Kleinanzeige in den Gelben Seiten bislang völlig ausreichend erschien. Langsam ändert sich das.

Denn der Markt in Deutschland – 840.000 Menschen sterben jedes Jahr – ist hart umkämpft. Billigere Urnenbegräbnisse liegen im Trend, Discountanbieter locken mit Schnäppchenangeboten. „Wir erleben zunehmend eine Entsorgungsmentalität“, bedauert Ralf Michal, Bestattermeister aus Schweinfurt in fünfter Generation: „Wir brauchen eine Debatte über Werte!“ Die Bestatter fürchten, dass das Begräbnis nicht länger das siebte Werk der Barmherzigkeit ist. Und sie fürchten um ihr Geschäft.

„Es ist da doch wichtig, dass die Branche Marketing macht“, sagt Brigitte Pfeiffer, Geschäftsführerin des Deutschen Marketingverbands. „Sie sollten den zögerlichen Umgang damit über Bord werfen.“ Manche haben das bereits getan. Sie laden zum Tag der offenen Tür ein – oder zu einer Krimilesung im Sarglager. Vorurteile abbauen, das Image verbessern, darum geht es. „Hier bekommt man wirklich viele Anregungen“, freut sich Frank Zimmermann aus Zerbst.

In anderen Länden trauen sich die Bestatter längst mehr. In Italien gibt es Kalender, in denen sich Models vor Särgen räkeln, in den USA eine Bestatterfernsehshow. In Großbritannien kann im Internet jeder seine eigene Beerdigung planen. Und in den Niederlanden treten Bestatter mittlerweile farbenfroh auf – pink-grün statt schwarz. Der Tod, beworben wie ein Lifestyle-Produkt. Dass das in Deutschland anders ist, liegt nicht nur an strengeren Vorschriften. „Die deutsche Bestattungsbranche ist einfach statisch und träge“, sagt Martin Reiss. Der Marketingexperte hat vor siebzehn Jahren zum ersten Mal ein Krematorium beraten. Von einem „übertrieben pietätvollen Trauerauftritt“ hält er nichts. Aber auch Provokation sei der falsche Weg: „Klassische Werbekampagnen sind gar nicht mehr zeitgemäß.“ Es brauche einen ehrlichen Umgang mit dem Tod und „Mut zum Gefühl“.

Für Provokation sind viele Bestatter offenbar auch gar nicht zu haben. Die drei Siegerplakate des Wettbewerbs wurden schon vor der Tagung an über 3.000 Bestatter im Land verschickt – für den Werbeeinsatz. Im Vergleich zu vielen Wettbewerbsbeiträgen sind sie harmlos. Eine schlichte Schüssel und der Spruch: „Du gibst den Löffel ab. Und wer löffelt die Suppe aus?“ Eine junge Frau sitzt nachdenklich auf dem Bett: „Weil es oft schneller geht, als uns lieb ist.“ Und ein junger Mann hält einen Fußball in beiden Händen: „Finale. Bestimm dein Endspiel selbst!“

Doch das war schon zu viel. Beim Bestatterverband riefen viele an und beschwerten sich. Todernst. SEBASTIAN ERB