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Glücklich, wer eine Nische findet

Die neue Altersklasse: Fast 3 Millionen mehr Erwerbslose drängen bald auf den Markt, wenn die über 60-Jährigen weiter arbeiten müssen

VON BARBARA DRIBBUSCH

Ein Zukunftsszenario: Millionen ältere Arbeitslose suchen händeringend einen Job. Sie bieten sich zu Niedriglöhnen an, denn Rente erhält man erst ab dem 65., vielleicht sogar erst ab dem 67. Lebensjahr. „Es beginnt ein neues Zeitalter der wieder gesunkenen Einkommen im Alter“, heißt es in einer neuen Studie des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA) zum Thema „Länger arbeiten im Alter“. Im Klartext: Die ungleiche Verteilung von Jobchancen wird sich durch die Altersfrage noch verschärfen.

Derzeit sind nur gut 1 Million der 5 Millionen 60- bis 64-Jährigen erwerbstätig oder suchen zumindest noch einen Job, so die Kölner DIA-Forscher Ulrich Pfeiffer, Harald Simons und Reiner Braun. Die meisten der über 60-Jährigen sind schon aus dem Beruf ausgeschieden. Komfortable Altersteilzeitregelungen und der vorzeitige Rentenbeginn haben das ermöglicht. Doch diese Programme laufen in den kommenden Jahren aus. Verlagert sich der Zeitpunkt des so genannten Erwerbsaustritts nur um 3 Jahre nach hinten, könnte sich die Zahl der arbeitswilligen 60- bis 64-Jährigen bis zum Jahr 2025 auf 3,8 Millionen fast vervierfachen, rechnen die DIA-Experten vor. Hinzu kommen dann noch die vielen über 50-jährigen Erwerbslosen, die aufgrund ihres Alters nur noch schlechte Chancen haben und gleichfalls händeringend eine Stelle suchen.

Zwar gibt es wegen der niedrigen Geburtenraten in Zukunft weniger jüngere ArbeitnehmerInnen, aber diese Lücke reicht nicht aus, um den Jobmarkt für Ältere zu entspannen. „Die Arbeitnehmer werden einem noch stärkeren Wettbewerbsdruck gegenüberstehen als heute“, heißt es in der Studie. Und dabei hat nicht jeder im Alter die gleichen Chancen.

Von den heute Erwerbstätigen zwischen 60 und 64 Jahren sind überproportional viele, 28 Prozent, selbstständig. 16 Prozent dieser Leute haben einen Hochschulabschluss, bei den nicht mehr Erwerbstätigen sind es nur 5 Prozent. Dazu heißt es in der DIA-Studie: „Heute sind es vor allem die überdurchschnittlich qualifizierten und produktiven Erwerbstätigen, die noch jenseits des 60. Lebensjahrs arbeiten.“

Eine gute schulische und berufliche Bildung sei mittlerweise nicht nur zum „Eintrittsticket“, sondern auch zur Voraussetzung für die Verlängerung der „Aufenthaltsberechtigung“ auf dem Arbeitsmarkt geworden, schreiben auch die Arbeitsmarktforscher Gerhard Bosch und Sebastian Schief in den Mitteilungen des gewerkschaftseigenen WSI-Instituts. Wer sich gesundheitlich in einem monotonen Job verschleißt, hat es hingegen schwer. Mehr als die Hälfte aller Maurer gehen heute wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in Rente, bei den Ärzten sind es nur 7 Prozent.

In der Altersgruppe der 55- bis 64-Jährigen sind bei Leuten mit hoher Qualifikation, etwa AkademikerInnen, in Deutschland mehr als die Hälfte noch berufstätig. Unter Erwerbstätigen mit niedriger Qualifikation, etwa angelernten Arbeitern, ackert hingegen in dieser Altersgruppe nicht mal mehr jeder dritte. Diese Ungleichheiten „haben zugenommen“, so Bosch und Schief.

Auch berufliche Besonderheiten entscheiden über den Verbleib im Jobmarkt: Selbstständige Handwerker in traditionellen Gewerken oder etwa Landärzte bleiben oft lange berufstätig, auch weil es schwierig ist, Nachfolger zu finden. In bestimmten Berufen halten sich Ältere zudem leichter, weil ein fortgeschrittenes Alter zum Berufsbild der „Autoritätsperson“ passt, wie die beiden Porträts auf dieser Seite zeigen.

Im Verteilungsstreit der Zukunft dürfte es daher neue „Altersklassen“ geben: Über 60-jährige Angestellte in qualifizierten, kündigungsgeschützten Jobs können darauf setzen, dass sich ihr Arbeitgeber etwas einfallen lassen muss, um die Tätigkeiten dem Alter anzupassen. Sehr viel schlechter stehen Leute da, die ihren Job jenseits der 50 verlieren, noch dazu, wenn sie in einer niedrig qualifizierten Tätigkeit verschlissen wurden. Das Ausmusterungsverhalten der Personalchefs, die über 50-Jährige gar nicht mehr zum Vorstellungsgespräch laden, könnte sich sogar noch verschärfen, wenn der Rentenbeginn nach hinten verschoben wird. Wer sich hingegen als gut qualifizierter Freiberufler auf dem Markt behauptet, wird bessere Karten haben.

Die Einkommen und Löhne vieler der über 60-Jährigen jedoch werden durch den Druck der Älteren auf den Jobmarkt sinken. Und hunderttausende Ältere werden nur noch Arbeitslosengeld II bekommen bis zum späten Rentenbeginn. Sie werden jede noch so kleine Chance für einen Hinzuverdienst nutzen. Diese Arbeitnehmer, resümieren die DIA-Forscher, werden eine „extrem hohe Bereitschaft zur Anpassung an den Tag legen müssen“.

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