: Pisa: Mittelmaß im Norden
Die Nord-Flächenländer Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein haben ihre Standards laut Bildungsstudie zwar erhöht, bleiben aber weit hinter dem Süden zurück
von Kai Schöneberg
In den „Südländern“ seien die Pisa-Aufgaben vorher gepaukt worden, ätzte Henning Höppner, der Schulexperte der SPD im Kieler Landtag am Tag, als in Berlin die vorläufigen Ergebnisse der Bildungsstudie vorgestellt wurden. Ansonsten blieb das politische Pisa-Nachtreten trotz Vorwahlkampf weitgehend aus. Der Grund: Alle sind etwas besser geworden. Die Nord-Flächenländer Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern hinken aber weiter hinter dem Süden im Mittelfeld hinterher. Und: die rot-rote Landesregierung in Schwerin hat es nicht geschafft, an die guten Ergebnisse der anderen Ost-Länder anzuknüpfen, die sich insgesamt deutlich verbesserten.
Das Pisa-Ergebnis für Niedersachsens Schüler könne er „noch nicht an politischen Umsteuerungsaktionen festmachen“, sagte CDU-Kultusminister Bernd Busemann gestern – und lobte sogar den Pisa-Looser Bremen: SPD-Bildungssenator Lemke habe „gute Zuwächse“ erzielt. Nein, das relativ bessere Pisa-Abschneiden liegt für den Minister daran, dass der „Schock“ des letzten Ergebnisses „gewirkt“ habe und Schüler wie Lehrer sich nun „mehr anstrengen“. Die Schulreformen der Post-Pisa-Zeit – und da war er sich an diesem Tag sogar mit Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) einig – würden erst „in zehn Jahren wirken“. Busemanns Fazit: „Der Patient ist von der Intensivstation runter“.
Im Jahr 2003, als die Tests weltweit in neunten Klassen stattfanden, war Busemann gerade erst Minister geworden, es gab noch die Orientierungsstufe, die Klassen waren kleiner. Das Aufrücken von Rang 11 auf 9 im Ranking der Bundesländer ist also höchstens auf die Schulpolitik der SPD-Vorgängerregierung zurückzuführen. Aber selbst die Sozen mochten gestern keinen Honig daraus saugen, obwohl Niedersachsen von allen Nord-Flächenländern die größten Zuwachsraten im Vergleich zum ersten Pisa-Test vor fünf Jahren erzielt hatte. SPD-Fraktionschef Wolfgang Jüttner sagte bloß das, was er immer sagt: Schulpolitik müsse „die Bildungschancen der Kinder von der sozialen Herkunft der Eltern entkoppeln“. Und, dass Busemanns Reformen die „Ungleichheiten zementiert“ hätten. Ähnlich zahm die Grünen: Pisa 2003 habe deutlich gemacht, „dass in Deutschland wie auch in Niedersachsen die Ausgrenzung der Arbeiter- und Migrantenkinder das größte Problem bleibt“. Mit der Lesekompetenz der norddeutschen Schüler sieht es im internationalen Vergleich am dürftigsten aus: Schleswig-Holstein erreicht hier mit 488 Punkten bundesweit Platz 5, die Niedersachsen kommen auf Platz 10 (481), die Schüler aus Mecklenburg jedoch nur auf Platz 15 (473) – bedrohlich nah an Bremen, der Türkei und Mexiko.
In den Naturwissenschaften war es besser: die Niedersachsen landeten bundesweit mit 498 Punkten auf Platz 7, kurz vor Schleswig-Holstein (497) und Mecklenburg-Vorpommern (491). Zum Vergleich: Die Ergebnisse liegen immer noch unter dem Durchschnitt der OECD-Länder (500) – und sogar etwa ein Schuljahr hinter Bayern (530) oder den mit 548 Punkten siegreichen Finnen. Ein etwas besseres Bild im Fach „Problemlösen“: Schleswig-Holstein kommt hier mit 509 Punkten im Bundesvergleich auf Platz 5, Niedersachsen mit 506 Punkten auf Platz 9 und Mecklenburg-V. mit 502 Punkten auf Rang 12.
Und nun? Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave (SPD) sagte, der Platz im Mittelfeld mache sie „nicht zufrieden“. Also soll es künftig im hohen Norden durch einen Förderfonds und mehr Betreuung weniger Sitzenbleiber geben. Busemann mahnte Verbesserungen in der Lehrerausbildung an und lobte seine Idee, die Lehrer mit Schulinspektoren zu prüfen. Vorher hatte der CDU-Mann den bayerischen Amtskollegen Siegfried Schneider (CSU) gefragt, wieso sein Land bei Pisa so gut abschneide. Der habe geantwortet: „Die eigentliche Ursache ist, dass wir den Ideen der 68er nicht aufgesessen sind“.