Schily heute letzter Zeuge im Visa-Ausschuss

Der Innenminister soll erklären, warum er die Fehler in Außenminister Fischers Einreisepolitik nicht verhindert hat

BERLIN taz ■ Der letzte Zeuge kommt eine Woche später als geplant. Innenminister Otto Schily (SPD) soll heute vor dem Visa-Untersuchungsausschuss aussagen. Sein ursprünglich für den vergangenen Freitag vorgesehener Auftritt war wegen der Terroranschläge in London verschoben worden. Wie Ende April bei der Vernehmung von Außenminister Joschka Fischer (Grüne) wird auch Schilys Aussage ab 9 Uhr vom Fernsehsender Phoenix live in voller Länge übertragen.

„Ich denke, dass es wieder bis zum Abend dauert“, sagte FDP-Ausschussmitglied Max Stadler der taz. Es gebe „sicher das Bedürfnis, viele Fragen zu stellen“. Außerdem habe Schily wie alle Zeugen das Recht zu einem Eingangsstatement. „Und wir wissen alle, dass Herr Schily, wenn er das Wort hat, zu recht umfassenden Ausführungen neigt.“

Schilys Auftritt ist die voraussichtlich letzte Gelegenheit für Regierung und Opposition, in einem offenen Schlagabtausch vor großem Publikum zur rot-grünen Visa-Politik Stellung zu beziehen. Sollte Bundespräsident Horst Köhler in der kommenden Woche den Bundestag auflösen und damit den Weg zu Neuwahlen frei machen, wird auch der Visa-Ausschuss seine Untersuchungen beenden und seinen Abschlussbericht schreiben. SPD und Grüne wollten sich eigentlich auch den Auftritt Schilys sparen. Ihr dreister Versuch, die Ausschussarbeit bereits direkt nach der Neuwahl-Ankündigung von Bundeskanzler Gerhard Schröder vorzeitig zu beenden, wurde allerdings nach einer Klage der Union vom Bundesverfassungsgericht in einer einstimmigen Eilentscheidung gestoppt.

Schily wird nun also erklären müssen, was er mit der Lockerung der Visa-Praxis zu tun hatte. Keine einfache Aufgabe für den Minister, der sich bekanntlich gerne als harter Law-and-Order-Mann geriert. Die Opposition wird ihn mit seiner Kritik an dem so genannten Volmer-Erlass vom März 2000 konfrontieren, wonach die deutschen Auslandsvertretungen bei der Visa-Vergabe „im Zweifel für die Reisefreiheit“ entscheiden sollten. Dort setzt auch FDP-Mann Stadler an: „Da wir ja bereits wissen, dass Herr Schily diesen Visa-Erlass für rechtswidrig gehalten hat, stellt sich die Frage: Warum ist es ihm nicht gelungen, das Auswärtige Amt zu veranlassen, den Visa-Erlass wieder zurückzunehmen?“

Formal liegt die Zuständigkeit für die Visa-Vergabe beim Außenminister. Der hatte bei seiner Aussage im Ausschuss auch die Verantwortung für sämtliche Fehler übernommen: „Schreiben Sie rein: Fischer ist schuld.“ Spannend bleibt, wie Schily die Politik des Kollegen bewertet – und wie er die internen Auseinandersetzungen schildert. Fischer hatte gesagt, er pflege mit Schily „hervorragenden kollegialen Umgang.“ Man sei im Jahr 2000 übereingekommen, die Visa-Fragen den Staatssekretären zu überlassen. „Warum Herr Schily seine Kritik zurückgenommen hat oder so nicht mehr aufrechterhalten hat, werden Sie ihn ja selbst fragen“, so Fischer. „Darüber habe ich mit ihm nie gesprochen.“ LUKAS WALLRAFF