urdrüs wahre kolumne
: Vor des Messers Schneide

Kaum sagt mal ein Sozialdemokrat wie dieser treuherzige Bayernschluffi die kleine armselige Wahrheit über die Kontinuität des bürgerlichen Arbeitsethos vom Lager bis zur Merkelschen Vorfahrt für Arbeit zu jedem Preis, da wird er auch schon vom rotgrünen Mainstream genauso heftig verbellt wie von der Union. Doch wer die Wahrheit kennt und nicht benennt, der wird dafür bitter bezahlen müssen …

Nachträglich überwies die Stadt rund 540 bremischen Sozialhilfeempfängern einen Nachschlag von 31 Euro zum Weihnachtsfest. Wenn die jetzt alle zusammenlegen, könnten sie davon gemeinsam dem Herrn Peter Hartz einen Wochenlohn bezahlen und damit ein Zeichen gegen die soziale Kälte setzen.

Am ersten Ferientag findet in meiner süßen niedersächsischen Kleinstadt Rinteln immer ein Flohmarkt statt, der der Schuljugend Gelegenheit geben soll, noch etwas Taschengeld einzuheimsen durch den Verkauf ausgelesener Comics, ausgedienter Schulbücher und abgewrackter Spielzeughalden. Und an einem Stand entdecke ich einen ganzen Stapel mit Autogrammkarten von Gerhard Schröder, die zuvor mit zwei Euro ausgezeichnet waren, jetzt aber für 20 Cent wie Blei auf dem Tapetentisch liegen. Angesichts dieses dramatischen Falls aller Werte ist man doch fast geneigt, in fröhlicher Melancholie das Lied von der Moldau zu summen und dabei daran zu denken, dass das Grohoße nicht groß bleibt und klein nicht das Kleine und das wir uns um den ganzen Wahlschiss eigentlich gar nicht erst aufregen sollten. Das „evolutionäre Wasser“ arbeitet schon am Stein!

Auf der Suche nach einem Pfadfinder-Kocher zwinge ich mich neulich in die unangenehme Atmosphäre eines Army-Shops, wo von der original Bundeswehrhose und dem stehenden Messer mit Blutrinne so ziemlich alles zu haben ist, was der landesübliche Scheißer für seine globalen Survivalübungen benötigt. Den klassischen Esbit-Kocher aber hat man hier nicht auf Lager, denn „das kauft heute keiner mehr. Irgendwo ist ja immer ein Campingplatz mit Kochgelegenheit!“ Trotzig bleibe ich bei meinem Wunsch und erinnere mich glücklicher Morgenstunden mit frischem Kaffee irgendwo vorm Schlafgebüsch beim Trampen unweit der Autobahnauffahrt Seesen, wo ich mal einen ganzen Tag festhing, bis mich dann ein Tourneebus von EMBRYO mitnahm, deren Musik ich daher bis heute trotz esoterischer Säuselei ungemein schätze. Wo wir gerade bei dem Thema sind: Warum gibt es eigentlich kein „Anhalterunwesen“ mehr? Ist hier nicht etwas verlorengegangen, was auf dem Wege zur Assoziation freier Menschen zwar nur ein kleiner Schritt war, für das Individuum aber doch ein großer Sprung in eine Welt, die vom Sein und nicht vom Haben bestimmt ist/war?

Bessere Pisa-Resultate oder Werder-Willi tritt zurück? Das müsste doch zu machen sein – und braucht es in der WM-Saison für die Kicker an der Weser nicht ohnehin wieder ein besonders schlagkräftiges Management?

Ein bisschen piesepampelig finde ich die Kritik am neuen Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven schon: Ist es nicht schön, dass man mal wieder richtig Schiffe kucken kann im Nahbereich, und sollte das der Landesregierung nicht mal die paar Millionen wert sein? In diesem Sinne erwarte ich auch eine Wiederbelebung der Dampfzüge ins Teufelsmoor mit Jan Reinders ab Findorff.

Dank allen, die sich auf diesem oder jenem Wege nach meinem Gesundheitszustand erkundigten: Ich komme in den nächsten Tagen unters Messer, werde mich dann einige Wochen auf Kosten der Solidargemeinschaft im Krankenbette suhlen und mich dann, so Gott und die Weltgeister wollen, ab Mitte August wieder an der Front zur Theatralisierung des Alltags einfinden.

Bis dahin frohes Schaffen mit den aktuell gebotenen Waffen wünscht

Ulrich „Prostata“ Reineking