: Frost heilt Hysterie
Speichern statt Überwachen: Schweriner Datenschützer fürs Einfrieren von Telefonverbindungs-Nachweisen
Die Personalie hatte sogar für bundespolitisches Echo gesorgt, obwohl es doch nur um die Neubesetzung des Landesbeauftragten für Datenschutz in Mecklenburg-Vorpommern ging. Als „unglaublichen Skandal“ bezeichnete die Bundestagsfraktion von CDU/ CSU die Berufung Karsten Neumanns im vergangenen Herbst. Was für den Instinkt der Union spricht. Denn Neumann profiliert sich als echter Störfaktor im Anti-Terrorkampf. Den Trend zur Totalüberwachung, der durch die Londoner Bomben-Attentate an Popularität gewinnt, kontert der ehemalige PDS-Abgeordnete nicht bloß mit einem zaghaften „Moment mal“. Er macht sogar konstruktive Vorschläge.
Gegen die Ernennung Neumanns hatte die CDU seinerzeit drei Gründe angeführt. Erstens: er sei mit 37 Jahren zu jung. Zweitens: Er verfüge „lediglich über ein Erstes Staatsexamen in Jura“. Am schlimmsten aber: Neumann war „noch bis Februar 1990 als Offizier im Einsatz“. Militärs in der Politik – das findet die Union sonst wenig anstößig. Aber Neumann war ein halbes Jahr lang Polit-Offizier bei der NVA. Also beim Klassenfeind. Damit habe sich, befand die Bundestags-CDU, „jede sachliche Diskussion erübrigt“.
Ein Grundsatz, an den sich Neumann aber nicht hält. So hat er jetzt vor dem Hintergrund der Anschläge für eine Telefon- und Internetüberwachung nach US-amerikanischem Vorbild plädiert. Genauer für das „Deep freeze“-Verfahren. Dabei, so erklärte er der dpa, könnten Telefongesellschaften und Internet-Anbieter zur Speicherung der jeweiligen Verbindungsnachweise verpflichtet werden. Nur bedürfte deren Freigabe einer richterlichen Anweisung. Klingt diskutabel, und nicht einmal, als würde dadurch in Becksteins antiislamistischen Schutzwall ein Riesenloch gerissen: Tatsächlich könnte die Polizei so sehr einfach das Speichern der Fernsprechdaten anordnen. Voraussetzung wäre lediglich ein Verdacht. Der müsste anschließend, dem Richter gegenüber, konkretisiert werden, damit der das Auftauen – sprich: die Nutzung der Daten – erlaubt. Dieses Verfahren sei „auch aus Sicht des Datenschutzes vernünftig“, so Neumann.
Überraschend, denn der Vorschlag hört sich erst einmal nach mehr Überwachung an – schließlich eröffnet jede zusätzliche Speicherung von Daten auch neue Möglichkeiten des Missbrauchs. Allerdings: Das Tieffrieren ist ein juristischer Kniff, der die Hürden für einen Lauschangriff höher legt. Weil Abhören ein gravierenderer Eingriff in die Grundrechte ist, als das Speichern der Telefonverbindungsnachweise. Wenn beides eine richterliche Erlaubnis erfordert, müsste ein Richter erst das Schock-Frosten und das Auftauen genehmigen, bevor er grünes Licht fürs Wanzenlegen gibt – eine Frage der Rechtssystematik. Ganz schön schlau. Und das, obwohl Neumann doch bloß das erste Staatsexamen hat. bes