: Nervendes Sachpolitikgefasel
betr.: „Der Kleinmut des Ehrlichen“ von Robert Misik, „Das Blaue vom Himmel“, taz vom 13. 7. 05
Ich bin zwar nicht dafür, dass Elefanten aus Indien hier zur Verkehrsberuhigung eingesetzt werden, aber mich nervt dieses angebliche Sachpolitikgefasel schon seit langem.
Ich möchte kurz an die gute Hannah Arendt erinnern, die Politik als freies Handeln definiert, welches befreit von Sachzwängen in einem geschützten Raum (Parlament) zwischen Menschen stattfindet. Politik ist demnach also der Austausch von Visionen und das Ringen (mit Worten) um ihre Durchsetzbarkeit. Ganz nebenbei erwächst daraus bei Hannah Arendt ein faszinierender Machtbegriff, nämlich dass Macht dann entsteht, wenn sich viele Menschen für eine Idee begeistern und sie in der Welt verwirklichen, also umsetzen.
Darüber hinaus diagnostizierte H. Arendt den Tod des Politischen, wenn es nur noch um die effiziente (oder vorgeblich richtige) Lösung geht. So was hat sie Technokraten oder Experten überlassen. Sie nennt es den Einbruch des Notwendigen und Nützlichen, welche alles Lebendige vernichten – und damit auch das freie Handeln, also Politik. Frau Arendt mag etwas philosophisch daherkommen und auch in ihren Gedanken on the long run die eine oder andere Schwäche haben, aber ich finde ihre Idee grundsätzlich sehr anregend.
Als Wählerin will ich nicht über 16 oder 18 Prozent mehr Mehrwertsteuer oder über Fahrkartenermäßigungen für ostdeutsche allein erziehende, weibliche Anglerinnen (ähem) entscheiden, sondern darüber, wo es grundsätzlich langgeht. Ich wünsche mir daher Menschen mit überzeugenden Visionen. Das verstehe ich unter Mut zur Ehrlichkeit … Denn dann hätte ich wenigstens eine echte Wahl und nicht so eine Qual mit dem schlechteren Übel. Außerdem gäbe es dann mal einen Wahlkampf mit echtem „Kampf“ und nicht nur Krampf (gähn). Andernfalls fordere ich, dass zukünftig nicht Politiker, sondern Wissenschaftler zur Wahl stehen.
KATJA KOCHALSKI, Marburg