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Archiv-Artikel

Muslime demonstrieren Desinteresse

Knapp 200 Menschen folgen in Frankfurt dem Aufruf von elf islamischen Organisationen zur Kundgebung gegen den Terror. Veranstalter zeigen sich enttäuscht über die geringe Resonanz bei der muslimischen Bevölkerung in Stadt und Region

AUS FRANKFURT AM MAIN KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

In Frankfurt am Main haben am Wochenende elf islamische Organisationen, darunter die Dachverbände Islamische Föderation Hessen (IFH) und Islamische Religionsgemeinschaft Hessen (IRH), die Muslime in der Region zu einer Kundgebung gegen Terror aufgerufen. „Wir wollen unsere klare Stellungnahme gegen den Terror öffentlich demonstrieren“, hieß es in dem Text, der auch in den Moscheen verlesen worden war. Doch was dann am Sonnabend gegen 12 Uhr vor dem Römer tatsächlich demonstriert wurde, war nur das Desinteresse der muslimischen Bevölkerung der Stadt und der Region an einer solchen Veranstaltung.

Gerade einmal 200 Menschen waren gekommen, darunter noch zahlreiche Christen und Juden. Mehr fanden sich nicht, um ihrer „Bestürzung über die Anschläge in London“ sichtbaren Ausdruck zu verleihen, wie auf einem verteilten Handzettel stand. Frankfurt hat eine Bevölkerungsstruktur, die der von London ähnelt: Staatsbürger aus 175 Nationen leben dort, darunter viele Muslime.

Es sei schon „sehr enttäuschend“, dass nur so wenige seiner „Glaubensbrüder und Glaubensschwestern“ den Weg zum Römerberg gefunden hätten, sagt einer der jungen Ordner am Rande der Veranstaltung. Er bestätigte auch die Vermutung, dass die Anwesenden zudem vielfach Familienangehörige der Kundgebungsredner und Mitglieder der Vorstände der beteiligten islamischen Organisationen waren.

Die Einstellung derer, die gekommen waren, war eindeutig. Der Islam, so stand es auf einem Transparent zu lesen, gebiete „Liebe und Toleranz“. Eröffnet wurde die Kundgebung mit einer Koranrezitation: „Wer einen unschuldigen Menschen tötet, der tötet die ganze Menschheit“, sagte Kundgebungsredner Khaled El-Sayed von der Organisation Islamische Informations- und Serviceleistungen (IIS). Jeder Muslim kenne diese Sure. Und jeder Muslim wisse, dass Allah eine solche Tat, begangen an Zivilisten, nie verzeihe. Die Massenmörder von London könnten sich daher ganz bestimmt nicht auf die Religion berufen. Wer dennoch von „islamischem Terror“ rede, beleidige rund eine Milliarde Muslime in aller Welt. Der Terror nämlich kenne keine Religion. Alle Terroristen, so El-Sayed abschließend, seien „von der Barmherzigkeit Gottes ausgeschlossen“.

Nach den Anschlägen in London wurden die Muslime überall in Europa aufgefordert, sich öffentlich von den im Namen des Islam begangenen Terrorakten zu distanzieren und ihre Friedfertigkeit zu demonstrieren. Entsprechende Aktionen dienten auch dem Abbau von Vorurteilen gegenüber der muslimischen Bevölkerung vor allem in den europäischen Metropolen, hieß es. So hatte vor wenigen Tagen in Berlin der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime erklärt, alle Muslime müssten in ihren Gemeinden für Aufklärung sorgen. Jede verfassungsfeindliche Gesinnung sei zu verfolgen, so Nadeem Elyas.

Nihat Cesur von der Islamischen Föderation Hessen (IFH), rief die Muslime in Deutschland auf, öffentlich zu erklären, dass sie solche Untaten wie in London „verabscheuen“ würden. Das Mitgefühl aller Muslime gelte den Opfern und ihren Angehörigen. Die Europäer forderte er auf, jetzt keine Pauschalurteile gegen den Islam zu fällen.

Am Rande der Veranstaltung wurde heftig diskutiert. „Solange ihr uns alle als Ungläubige diskriminiert“, schimpfte ein Tourist aus Ostdeutschland, der sich weigerte, einen Handzettel zu nehmen, „seid ihr für mich keine Gesprächspartner!“ Die Gruppe junger Muslime sagte dazu – nichts.