: Der Sommer der angekündigten Morde
Die „Kurdischen Freiheitsfalken“ terrorisieren türkische Strände, die Alten von der PKK eher das Hinterland
ISTANBUL taz ■ Türkische Zeitungen zeigten gestern zwei ähnliche Fotos – das erste zeigt den Londoner Bus, den vor über einer Woche ein Selbstmordattentäter sprengte. Das andere zeigt das Wrack des Busses nach dem Anschlag in Kusadasi. Die Botschaft: Der Terror in London ist derselbe wie der Terror in der Türkei.
Angesichts der verheerenden Reaktionen in Westeuropa beeilte sich am Samstag ein Sprecher der kurdischen PKK zu erklären, seine Organisation habe mit dem Anschlag in Kusadasi nichts zu tun. Die türkische Polizei ist sich aber schon ziemlich sicher, dass die so genannten Kurdischen Freiheitsfalken (TAK) dahinter stecken.
Der Anschlag entspricht dem Szenario, dass die TAK nach dem Attentat in Cesme vor einer Woche angekündigt hat. Angriffe auf Tourismuszentren, um eine der wichtigsten Einnahmequellen zu verstopfen. Die TAK ist bislang nur sporadisch und nur im Westen der Türkei aufgetreten: vor der Tat in Cesme bereits mit einem ersten Anschlag in Kusadasi im April und mit zwei Anschlägen auf Istanbuler Hotels im August 2004. Damals gab es zwei Tote, und die Polizei ging davon aus, dass es sich um eine Kleinstgruppe handelt, die sich wieder auflöst. Das sieht nun anders aus: Diese Anschläge finden zeitgleich mit PKK-Attentaten in anderen Landesteilen statt. Der in Kusadasi verwendete Sprengstoff soll aus dem Nordirak stammen. Auch hat die PKK in der Hochphase des Krieges 1993 bis 94 schon einmal Anschläge auf Tourismuseinrichtungen verübt. Nichts sorgt für mehr Aufmerksamkeit als getötete westeuropäische Touristen. Es sieht so aus, dass die TAK mit Unterstützung der PKK für den Terror im Westen zuständig ist, für den die PKK aus propagandistischen Gründen nicht die Verantwortung übernehmen will.
Denn anders als vor elf Jahren geht es jetzt kaum um die unterdrückte kurdische Minderheit. Die türkische Regierung ist den Kurden unter Druck der EU entgegen gekommen. Kurdische Medien, Schulen und politische Mitsprache haben dazu geführt, dass die Mehrheit der Kurden die Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes durch einen Teil der früheren PKK ablehnt. Statt für die Befreiung bombt die PKK jetzt nur für sich selbst.
JÜRGEN GOTTSCHLICH