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Archiv-Artikel

Die Bombenoffensive

AUS ISTANBULJÜRGEN GOTTSCHLICH

Um 9 Uhr 30 am Samstagmorgen ist in einem Minibus in dem türkischen Ferienort Kusadasi eine Bombe explodiert. Sie tötete 5 Menschen, weitere 13 wurden zum Teil schwer verletzte. Der Bus befand sich auf dem Weg zu einem nahe gelegenen Strand und war mit Urlaubern besetzt, darunter vielen Ausländern. Unter den Opfern sind eine englische und eine irische Touristin, außerdem ein 17-jähriges Mädchen, eine weitere Frau und ein Mann.

Der Bus wurde fast vollständig zerfetzt. Fotos zeigen ein Wrack, auf dem noch einige Sitze auf dem Chassis sind. Auf der Uferpromenade lagen Leichenteile und verstümmelte Menschen. Geschockte Passanten versuchten zu helfen. Viele Verletzte wurden per Hubschrauber in die nahe Ägäismetropole Izmir geflogen. Auch unter den Verletzten sind mehrere Engländer. Deutsche waren nicht im Bus.

Ersten Vermutungen, es könne sich um ein Selbstmordattentat gehandelt haben, widersprach die Polizei. Die Bombe sei vermutlich als Paket im Bus deponiert worden. Experten berichteten, die Bombe sei aus professionellem Plastiksprengstoff gewesen. Bis Sonntagnachmittag gab es kein Bekennerschreiben. Die Polizei geht allerdings davon aus, dass es sich um dieselben Täter handelt wie beim Anschlag im benachbarten Badeort Cesme vor einer Woche. Dort war eine Bombe in einem Abfalleimer deponiert worden und hatte 22 Menschen verletzt. Zu dieser Tat bekannte sich die Terrorgruppe Kurdische Freiheitsfalken (TAK). In dem Schreiben kündigte sie weitere Attentate in touristischen Zentren an, um dem Tourismus zu schaden.

Der türkische Ministerpräsident Erdogan verurteilte den Anschlag und sprach den Betroffenen sein Beileid aus. Er kündigte an, die Überwachung zu verschärfen, sagte aber, dass es gegen solche Anschläge keinen vollständigen Schutz gebe. Der britische Außenminister Straw verurteilte die Tat und versicherte der türkischen Regierung seine Solidarität. Mit Blick auf die kurdische Unabhängigkeitsbewegung sagte er, es gebe keinerlei Entschuldigung für solchen Terror.

In den türkischen Medien wurde der Anschlag weniger wichtig genommen als in Westeuropa. Das Fernsehen berichtete erst an nachgeordneter Stelle, und auch die großen Zeitungen widmeten ihre Schlagzeilen anderen Themen. Das liegt daran, dass man keine Hysterie schüren will, um nicht das Geschäft der Terroristen zu betreiben, zum anderen aber auch, weil sich die Anschläge häufen. In den letzten Wochen gab es Anschläge auf Postzüge, Polizeistationen und Gendarmerieposten, die viele Todesopfer forderten und alle auf das Konto der Kurdischen Arbeiterpartei PKK gingen.

Der türkische Geheimdienst geht davon aus, dass seit Mitte 2004, als die PKK ihren fünf Jahre zuvor ausgerufenen Waffenstillstand wieder aufkündigte, rund 1.500 Bewaffnete aus dem Irak in den Südosten der Türkei eingesickert sind. Seit April dieses Jahres hat sich die Intensität der Anschläge verstärkt. Die tödlichste Waffe sind Minen, die die PKK gegen Militär- und Polizeifahrzeuge einsetzt. Vor einer Woche wurden aber auch zivile Autos mit Gewalt gestoppt und Insassen ausgeraubt. Ein Soldat wurde entführt. Nach ihm sucht die Armee. Diese Geiselnahme hat Wellen geschlagen.

Die türkische Regierung ist empört, dass, so Erdogan, der PKK-Terror immer noch als Freiheitskampf deklariert würde. Er beschwerte sich bei der Nachrichtenagentur Reuters und der BBC, weil dort von Rebellen statt von Terroristen geredet wird. Obwohl Brüssel und Washington die PKK auf ihren Terrorlisten haben, vermisst die türkische Regierung die Unterstützung und Anteilnahme der USA und der EU. Erst jetzt, so türkische Medien, versicherten der britische, irische, spanische und französische Außenminister der Türkei ihre Solidarität.

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