berliner szenen: Turmfalke auf Stieleiche
Die Schneepflüge der BSR hatten selbst Anliegerstraßen und Radwege geräumt und mit Salz versiegelt. Nur auf dem ehemaligen Flugfeld Tempelhof lag noch eine alle Unterschiede auslöschende Schneedecke. Die bepuderte Fläche reichte bis zur pastellig aufgehübschten Altbauzeile im Schillerkiez. Davor ragten nur ein paar unerschrockene Solitäre aus dem Whiteout wie der Baum an der Wetterstation, dessen Blätter aber wegen des Winterlockdowns ledrig eingerollt an den Zweigen hingen.
Just in seiner Krone saß ein Turmfalke, den ich wiederzuerkennen glaubte, und sondierte das weitläufige Terrain. Ich zückte das von einem Kollegen geliehene Schlaufon, um den Baum, auf dem er saß und den ich nicht kannte, zu bestimmen. Ich sollte Knospen, die Blattoberseite und die Rinde formatfüllend fotografieren. Die App behauptete, ich stünde vor einer Stieleiche. Da hatten die Krähen den Falken, die eigentliche Attraktion, schon längst vertrieben. Ich sah, wie er in der Ferne allein über das Feld pflügte. Sich wieder aufschwang, jäh zu Boden stürzte, kurz im Schnee lag, dann mit Beute im Schnabel erneut startete und in einer Baumkrone landete. Kurz durchschnaufen, dann setzten ihm schon wieder die Krähen nach.
Noch im ersten Shutdown letztes Jahr stolperte ich auf das Feld, in Morgennebel getaucht. Man sah nur wenige Meter weit. Plötzlich thronte der Falke vor mir. Auf einer Aschetonne im BBQ-Areal. Wir blickten uns in die Augen und obwohl wir beide unsere Fluchtdistanz unterschritten fühlten, scheuten wir frierend übertriebene Kraftanstrengungen. Langsam suchte ich das Weite, ging durch den Nebel gen Drehkreuz. Doch die Farben des Vogels hatte sich mir in die Netzhaut eingebrannt. War das der Beginn einer großartigen Freundschaft? Sollte ich ihm nicht einen Namen geben? Timo Berger
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