BERNHARD PÖTTER RETTUNG DER WELT : Die wahre Ökoalition: Merkel plus Lafontaine
Kaum zu glauben, aber wahr: Die WählerInnen der Linken und der Union sind die echten Ökos Das haben die Parteien nur noch nicht gemerkt
Piraten?“, fragt mein Sohn, „da kann man echt Piraten wählen?“ So viel Bürgernähe hätte der Elfjährige dem deutschen Parlamentarismus nicht zugetraut. Auf dem Esstisch liegt der Stimmzettel für die Briefwahl. Seine achtjährige Schwester sagt: „Wann darf ich auch wetten wie ihr?“ Wählen heißt bei ihr wetten. Ein interessanter Vergleich – nicht nur wegen der großen Zahl der beteiligten Nieten.
Eine Verliererin der großen diesjährigen Wette steht ja schon fest: die Zukunft. Ökofragen, die über den Atomausstieg hinausgehen, werden weder gestellt noch beantwortet. Was wirklich interessiert, ist das Koalitionspoker. Da ist alles erklärt, nur eines nicht: die wirkliche Ökoalition. Wenn es nach den Interessen der WählerInnen geht, ist sie so solide wie klar: schwarz-links. Merkel mit Lafontaine.
Verrückt? Dann lesen Sie mal „Das zukunftsfähige Deutschland in einer globalisierten Welt“ vom Wuppertal Institut. Für Sie als LeserIn dieser Kolumne ist das Buch ohnehin Pflichtlektüre. Die Forscher haben zusammengetragen, welche Milieus sich wie ökobewusst verhalten. Und da müssen jetzt die Grünen ganz stark sein: Ihre Wähler haben zwar ein hohes Umweltbewusstsein, einen hohen Wissensstand und reden gern vom nachhaltigen Lebensstil, in der Realität sind sie aber auch nur grün gestrichene FDP-Wähler. Einkommen und Bildung sind so hoch, dass sie sich einen ressourcenintensiven Lebensstil leisten. „Der tatsächliche Konsum widerspricht dem Selbstverständnis“, heißt es da trocken.
Ganz anders die Milieus der „DDR-Nostalgiker“ und der „Traditionsverwurzelten“, in denen sich Linke und CDU/CSU an ihre Stammwähler klammern: Keine Ahnung von Öko, kein Bock auf Öko, aber in der Substanz deutlich grüner als die „Postmaterialisten“: weniger Autofahren, Urlaub vor der Haustür, weniger Ressourcenverbrauch. Die meisten Menschen aus diesen Kreisen sind entweder zu arm oder zu konservativ, um erfolgreich bei der Verschleuderung von Rohstoffen mitzumachen, die wir Wohlstand nennen.
Was sagt uns das? Man könnte zynisch bemerken, dass die umweltfreundlichste Reform von Rot-Grün nicht die Ökosteuer war, sondern Hartz IV. Dass Armut aber Ökofortschritte behindert, weil man anderes im Kopf hat. Es heißt aber auch, dass das Gequatsche von der Einkaufsrevolution der grünen Mitteloberschicht nichts bringt, solange gerade sie dafür sorgt, dass wir pro Kopf fünfmal so viel CO2 in die Luft blasen, wie wir eigentlich dürfen. Und dass die Parteichefs bei Union und Linken beim Umweltthema so ignorant sind, weil sie noch nicht gemerkt haben, von wem sie eigentlich gewählt werden.
Aber man kann es ja auch positiv sehen: dass die Rettung der Welt Koalitionen schmieden kann, über die sich die Betroffenen selbst am meisten wundern.
■ Der Autor ist Journalist und grüner Stammwähler Foto: Rolf Zöllner